SPD und FDP machen den Anfang: Großer Sondierungssonntag steht bevor – wer wann mit wem?
Bis Weihnachten solle möglichst eine neue Regierung stehen, betonen alle Beteiligten. Erste Sondierungsgespräche sind für Sonntag angesetzt.
Ein Selfie auf Instagram leitete in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die Sondierungsphase nach der Bundestagswahl ein. Grüne und FDP hatten sich heimlich zu einem ersten - und wie alle betonten - vertraulichen Gespräch zusammengefunden.
Was Mitte der Woche nur in kleiner Runde geschah, ist am Freitag ganz offiziell fortgesetzt worden. Am Vormittag kamen die Teams der beiden Parteien zusammen, um zu erörtern, ob Grüne und Liberale für eine mögliche Regierungsbildung auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Von einem Austausch "in guter Atmosphäre" sprach anschließend FDP-Chef Christian Lindner, vom Ziel, "einen Aufbruch gemeinsam zu schaffen", Grünen-Chefin Annalena Baerbock.
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Ein Überblick über den aktuellen Stand der Sondierungen:
Wer spricht wann mit wem?
Sonntag: Die SPD-Spitze will für jeweils etwa zwei Stunden zu ersten Beratungen mit FDP und Grünen zusammenkommen. Vorgesehen ist zunächst das Treffen mit der FDP um 15.30 Uhr und dann mit den Grünen um 18 Uhr in einem Büro- und Konferenzgebäude in Berlin, wie die SPD am Samstag mitteilte. Die FDP-Delegation kommt um 18.30 Uhr außerdem auch noch zu einer ersten Gesprächsrunde mit der Union zusammen.
Dienstag: Um 11 Uhr will die Union mit den Grünen die Chancen für ein Jamaika-Bündnis ausloten.
Wie ist die Stimmung vor den Sondierungen?
Die Grünen zeigen sich zuversichtlich, einer künftigen Koalition anzugehören. „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen“, sagte Parteichef Robert Habeck am Samstag bei einem Kleinen Parteitag in Berlin.
Er stellte seine Partei bereits auf „vier anstrengende Jahre“ ein. „Ab jetzt, ab Weihnachten vielleicht, ist jede Krise unsere Krise, ist jede Herausforderung unsere Herausforderung.“
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, ihre Partei sei von sieben Millionen Menschen gewählt worden, darunter viele junge Leute. Dies gebe einen Auftrag, als Teil der Regierung für eine wirkliche Erneuerung des Landes zu sorgen. „Wir haben in Deutschland erst einmal mitregiert“, sagte sie mit Blick auf die rot-grüne Koalition unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder von 1998 bis 2005.
Anders als damals, als ihre Partei nur kleiner Partner war, wollten die Grünen nun für einen großen Aufbruch sorgen. Über einen Koalitionsvertrag und die personelle Aufstellung in einer möglichen neuen Regierung sollen die 120.000 Grünen-Mitglieder abstimmen. Das beschlossen die etwa 100 Delegierten des Parteitags bei einer Enthaltung.
Die SPD setzt auf zügige Fortschritte in den Gesprächen mit FDP und Grünen. „Ich glaube, es kann gelingen, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen“, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. „Wir werden uns alle auf Augenhöhe begegnen“.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir müssen diesmal nicht bis zum Umfallen sondieren, denn wir wollen eine Ampel, in die alle drei Partner ihre Stärken einbringen. So gesehen könnten wir im Oktober mit den formellen Koalitionsverhandlungen beginnen und sie bis Dezember abschließen.“
[Lesen Sie auch: Die größten Hürden für die Ampel - und wo Kompromisse denkbar sind (T+)]
Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet traf sich am Samstag etwa zwei Stunden lang mit Mitgliedern des CDU-Sondierungsteams in der Parteizentrale in Berlin, um die Gespräche mit der FDP und den Grünen in der kommenden Woche vorzubereiten.
In der Partei wird zugleich immer offener über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung diskutiert. „Dafür muss es einen Bundesparteitag geben, spätestens im Januar“, sagte Parteivize Jens Spahn der „Welt am Sonntag“. „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen.“ Unabhängig vom Ausgang der Sondierungen müsse klar sein: „Einfach so weitermachen ist keine Option.“
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Einen umfassenden Erneuerungsprozess der Union sowie personelle Konsequenzen aus der Wahlniederlage verlangt auch CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen. Diese Erneuerung müsse umfassend sein: "Partei, Fraktion, Inhalte, Kommunikation, Personal", sagte Röttgen dem "Tagesspiegel". Es reiche nicht, "nur eine Person auszuwechseln", sagte er mit Blick auf Laschet.
Wer gehört den Sondierungsteams an?
SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP haben ihre Verhandlungsdelegationen für die ersten Sondierungen zur Bildung einer Bundesregierung benannt.
SPD:
- Kanzlerkandidat, Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz
- Co-Partei-Chefin Saskia Esken
- Co-Partei-Chef Norbert Walter-Borjahns
- Generalsekretär Lars Klingbeil
- Fraktionschef Rolf Mützenich
- Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer
CDU:
- Partei-Chef Armin Laschet
- Generalsekretär Paul Ziemiak
- Fraktionschef Ralph Brinkhaus
- Hessens Ministerpräsident und Partei-Vize Volker Bouffier
- Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther
- Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff
- Partei-Vize Julia Klöckner
- Partei-Vize Silvia Breher
- Partei-Vize Thomas Strobl
- Partei-Vize Jens Spahn
CSU:
- Partei-Chef Markus Söder
- Landesgruppenchef Alexander Dobrindt
- Generalsekretär Markus Blume
- Parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Müller
- Digital-Staatsministerin Dorothee Bär
Grüne:
- Partei-Chefin Annalena Baerbock
- Partei-Chef Robert Habeck
- Fraktions-Chefin Katrin Göring-Eckardt
- Fraktions-Chef Anton Hofreiter
- Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann
- Bundesgeschäftsführer Michael Kellner
- Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann
- Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth
- Europa-Abgeordneter Sven Giegold
- Partei-Vize Ricarda Lang
FDP:
- Partei- und Fraktionschef Christian Lindner
- Partei-Vize Johannes Vogel
- Partei-Vize Nicola Beer
- Generalsekretär Volker Wissing
- Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Marco Buschmann
- Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger
- Fraktions-Vize Michael Theurer
- Vorsitzende Sachsen-Anhalt Lydia Hüskens
- Bundesschatzmeister Harald Christ
- Europa-Abgeordnete Moritz Körner (Er wird nach Parteiangaben zurückziehen, wenn Partei-Vize Wolfgang Kubicki nach einer kleineren Operation wieder genesen ist; gerechnet wird damit schon nächste Woche)
Welche Koalition wünschen sich die Wähler?
Anders als vor der Bundestagswahl erfährt ein Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP jetzt eine klare Unterstützung im aktuellen Politbarometer. 59 Prozent der Befragten sprechen sich demnach für eine Ampel-Koalition aus. 20 Prozent fänden es schlecht und 19 Prozent wäre es egal, wenn es dazu käme. Als nächsten Bundeskanzler wünschen sich der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zufolge jetzt 76 Prozent Olaf Scholz (SPD) und nur 13 Prozent Armin Laschet (CDU).
Neben sehr großen Mehrheiten in den Anhängerschaften von SPD, Grünen und Linken sprechen sich demnach auch 61 Prozent der FDP-Anhänger und 55 Prozent der AfD-Anhänger für Scholz aus. Sogar in der CDU/CSU-Anhängerschaft seien 49 Prozent für Scholz und nur 39 Prozent für Laschet. 63 Prozent seien der Meinung, Laschet sollte als CDU-Parteivorsitzender zurücktreten, darunter auch 62 Prozent der Unions-Anhänger. (mit dpa/AFP/Reuters)
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