Gespräche über Schuldenkrise: Griechenland muss heute nachgebesserte Reformliste abgeben
Griechenland hat eine Frist zur Abgabe von Reformvorschlägen nicht eingehalten. Die Geldgeber verlangten Verbesserungen. Die Liste soll nun heute präsentiert werden. Nach Angaben der EU-Kommission sind die Gespräche mit Athen schwierig.
Die griechische Regierung will erst am Dienstag ihre endgültige Liste mit Reformvorschlägen für eine Verlängerung des EU-Hilfsprogramms vorlegen. Die Liste werde am Dienstagmorgen an die Finanzminister der Eurozone geschickt, verlautete am Montagabend aus Regierungskreisen in Athen. Demnach enthalten die Vorschläge soziale Maßnahmen wie eine kostenlose Gesundheitsversorgung, die Lieferung von Strom für die Ärmsten und Sonderzuschüsse für verarmte Rentner. Diese Maßnahmen sollen mit strukturellen Reformen wie dem Kampf gegen Korruption und Steuerflucht sowie dem Abbau der Bürokratie einhergehen. Auch der Benzin- und Zigarettenschmuggel soll bekämpft werden.
Verzögerung besprochen
Die Gespräche zwischen Griechenland und den Geldgebern über eine Reformliste, die eigentlich bis Mitternacht vorliegen sollte, gestalten sich offenbar schwierig. Dass die Liste erst einen Tag später komme, sei aber mit den Euro-Finanzministern abgestimmt worden, sagte ein griechischer Regierungsvertreter am Montagabend. Er nannte keinen Grund für die Verzögerung.
„Es gab keine Verzögerung“, sagte Finanzminister Yanis Varoufakis dagegen dem US-Fernsehsender CNN. „Wir waren heute morgen fertig, und das Papier wurde rechtzeitig abgeschickt.“ Vielmehr sei es eine Bitte „der anderen Seite“ gewesen, dass das „formale, offizielle Dokument“ erst am Dienstag übermittelt werde. Varoufakis sprach von einer „sehr umfassenden Liste von Reformen“.
Verbesserungen gewünscht
Hintergrund für die neuerliche Verzögerung sind nach Angaben von Diplomaten in Brüssel bislang nicht überzeugende Angaben zu den Reformvorhaben. Die bislang vorgelegten Arbeitspapiere hätten ersten Prüfungen nicht standgehalten, hieß es am Abend in der EU-Metropole. Wenn Griechenland am Dienstag eine ordentliche Reformliste vorlege, werde diese aber vermutlich von den Euro-Partnern akzeptiert, hieß es. Bislang war geplant, dass die Euro-Finanzminister in einer Telefonkonferenz am Dienstagnachmittag endgültig den am Freitag grundsätzlich beschlossenen Hilfen zustimmen.
Die Eurogruppe hatte sich am Freitag geeinigt, ihr laufendes Hilfsprogramm um vier Monate zu verlängern. Die Minister hatten allerdings bis Montagabend eine Liste mit konkreten Reformzusagen verlangt. Sie sollte zur Prüfung an die EU-Kommission, die EZB und den IWF übersandt werden.
Zähe Annäherung
Es sei ein "schwieriger Prozess", die verschiedenen Standpunkte zwischen der neuen Athener Links-Rechts-Regierung einerseits und den vormals als Troika bezeichneten Institutionen andererseits zusammenzubringen, hatte es schon am Montagnachmittag aus der EU-Kommission geheißen. Ohne die Vorlage der Reformliste kann die Regierung des Ministerpräsidenten Alexis Tsipras laut der Vereinbarung der Euro-Finanzminister vom Freitagabend keine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms erwarten, das eigentlich am Samstag ausläuft.
Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung hat Tsipras’ Regierung bei den Geldgebern eine vorläufige Reformliste eingereicht, die mehr als sieben Milliarden Euro einbringen soll. Im Detail geht es dabei dem Bericht zufolge um eine stärkere Besteuerung reicher Griechen und Oligarchen, die 2,5 Milliarden Euro in die Kassen des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis spülen soll. Zudem will Athen demnach bis April 2,5 Milliarden Euro an ausstehenden Steuern von Bürgern und Firmen hereinholen. Außerdem erhofft sich das Linksbündnis Syriza, das gemeinsam mit der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen regiert, von einer Bekämpfung des Benzinschmuggels zusätzliche Einnahmen von 1,5 Milliarden und einem verstärkten Vorgehen gegen den Zigarettenschmuggel weitere 800 Millionen Euro.
E-mails und Telefonate
Allerdings stammen die Zahlen aus einer vorläufigen Liste. Nach Angaben aus EU-Kommissionskreisen ging der Austausch zwischen der Regierung in Athen und den Geldgebern über die Endfassung der Liste per e-mail und per Telefon auch am Montagnachmittag weiter.
Die Liste der Reformvorschläge soll an diesem Dienstag von den Institutionen der Geldgeber geprüft und von den Euro-Finanzministern unter die Lupe genommen werden. In Brüssel wurde darüber spekuliert, dass sich die Euro-Finanzminister möglicherweise zu diesem Zweck in der belgischen Hauptstadt versammeln könnten. Am Freitag hatte es noch geheißen, die Ressortchefs würden sich per Telefonkonferenz absprechen. Aus dem Umfeld von Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem hieß es, über die Umstände des Treffens werde erst entschieden, wenn die Institutionen der Geldgeber eine Bewertung der Athener Reformliste abgegeben hätten. Wegen der Griechenland-Krise wird auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici an diesem Dienstag in Brüssel bleiben. Ursprünglich war für Dienstag ein Berlin-Besuch Moscovicis geplant gewesen.
Bosbach: Geberländer drücken sich um Frage des Verbleibs von Hellas in Euro-Zone herum
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach ist derweil skeptisch, dass die Vorschläge der neuen griechischen Regierung unter Führung des Linksbündnisses Syriza zur Erfüllung der Reformauflagen tatsächlich etwas an der wirtschaftlichen Misere Griechenlands ändern. „Griechenland wird immer so viele Zugeständnisse machen, wie man machen muss, um an frisches Geld zu kommen“, sagte Bosbach dem Tagesspiegel. Allerdings sei er skeptisch, dass die vom griechischen Regierungschef Alexis Tsipras angekündigten Pläne zur Bekämpfung der Korruption und der Steuerhinterziehung tatsächlich Früchte tragen werden, sagte der CDU-Politiker weiter.
Dabei verwies Bosbach auf negative Erfahrungen, welche die Geldgeber im Umgang mit Tsipras’ Vorgängerregierungen gesammelt hätten. So sei seinerzeit eine detaillierte Liste aus Athen mit erwarteten Privatisierungserlösen für die Zeit zwischen 2011 und 2017 bei den Kreditgebern eingereicht worden. Er schätze, dass nicht einmal zehn Prozent der damals versprochenen Erlöse tatsächlich erzielt worden seien, sagte der CDU-Politiker.
CDU-Innenpolitiker erwägt Rückzug als Bundestagsabgeordneter
Bosbach sagte weiter, dass sich die Geberländer und Griechenland nach der Übermittlung der endgültigen Reformliste aus Athen in dieser Woche voraussichtlich auf einen „vieldeutigen Kompromiss“ zur Verlängerung des Hilfsprogramms einigen würden. „Aber die Geberländer drücken sich um die schlichte Frage herum: Ist die griechische Wirtschaft unter den Bedingungen des Euro überhaupt wettbewerbsfähig?“. Auf die Frage, ob Griechenland die Euro-Zone verlassen solle, antwortete Bosbach: „Die Entscheidung darüber fällt ausschließlich in Athen.“ Allerdings befürchte er, „dass es Griechenland unter den Bedingungen des Euro wegen der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit nicht schaffen kann“.
Der Bundestag muss noch grünes Licht für die Verlängerung des Hilfsprogramms geben. Im Februar 2012 hatte der Bundestag mit großer Mehrheit einem zweiten Hilfspaket für Griechenland mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro zugestimmt. Bosbach hatte seinerzeit dagegen gestimmt. „Alle meine Bedenken haben sich seither bestätigt“, sagte der CDU-Politiker nun.
Auf die Frage der Deutschen Presse-Agentur, ob er angesichts der sich abzeichnenden breiten Zustimmung im Bundestag zu neuen Milliardenhilfen an Griechenland seinen Rückzug ins Auge fasse, erklärte der 62-jährige Bundestagsabgeordnete, er habe noch keine Entscheidung getroffen. Aber: „Ich möchte nicht ständig gegen den Kurs der Regierung stimmen, nicht als Quertreiber gelten. Ich werde jetzt in Ruhe überlegen, wie es weitergeht, und dafür werde ich mir Zeit nehmen.“ Bosbach ist seit 1994 Bundestagsabgeordneter. (mit AFP, dpa, Reuters)