Kommt der „Grexit“?: Griechenland muss gerettet werden - aber anders
In fünf Jahren Griechenland-Rettung ist das Konzept "Hilfen gegen Auflagen" kaum aufgegangen. Die sinnvolle Konsequenz sollte jetzt lauten: Griechenland muss den Euro verlassen - und statt Krediten Entwicklungshilfe erhalten. Ein Kommentar.
Scheitert der Euro, dann scheitert Europa – so lautete bisher die Standardbegründung der Kanzlerin für immer neue Hilfskredite an Griechenland. Bei ihrer Regierungserklärung am Donnerstag hat Angela Merkel den Satz nicht verwendet. Wahr bleibt er trotzdem. Nur muss das Diktum jetzt, so kurz vor einer Entscheidung in den Verhandlungen zwischen der Regierung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und den internationalen Geldgebern, neu formuliert werden: Wann scheitert der Euro? Wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt? Oder wenn die Gemeinschaftswährung zum Selbstbedienungsladen für ein Land wird, das nie Euro-Mitglied hätte werden dürfen und seit fünf Jahren mithilfe der europäischen Partner eine Art staatliche Insolvenzverschleppung betreibt?
Merkel will sich nicht ins Blatt schauen lassen
Nachdem Tsipras’ Linksregierung das Wachstum in Hellas wieder abgewürgt hat, steht das Land so dicht vor der endgültigen Pleite wie nie zuvor in den vergangenen fünf Jahren. Ob Tsipras die Pleite im Verhandlungspoker vermeiden oder bewusst in Kauf nehmen will, bleibt nebulös. Genauso unklar bleibt, welches Motiv die Kanzlerin dazu veranlasste, im Bundestag noch einmal deutlich an die griechischen Reformversäumnisse zu erinnern. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte Merkel eingeladen, in Griechenland eine „Rede der Hoffnung“ zu halten. Was die Kanzlerin im Bundestag ablieferte, war etwas anderes – die Rede einer Taktikerin, die sich nicht ins Blatt schauen lassen will.
Nur mit einer rationalen Verhandlungsführung wird es einen Deal geben
Je näher der Tag der Entscheidung für Griechenland rückt, umso mehr müssen alle Verhandlungspartner rational an die Sache herangehen, wenn eine Lösung noch gelingen soll. Das Zerwürfnis zwischen Varoufakis und seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble? Geschenkt. In den Verhandlungen geht es jetzt um jährliche Ausgabenkürzungen von rund zwei Milliarden Euro, welche die Gläubiger von Tsipras erwarten. An dieser vergleichsweise geringen Summe sollte eine Einigung doch nicht scheitern, könnte man meinen.
Es wird Zeit, von der Rettungslogik Abschied zu nehmen
Möglicherweise wird es aber Zeit, von einer derartigen Rettungslogik Abschied zu nehmen. Gelänge jetzt beiden Seiten auf den letzten Metern die Einigung, dann wäre dies die x-te Zwischenlösung, der dann weitere folgen würden. Zusätzlich müssen sich die Geldgeber eingestehen, dass ihr Konzept nach dem Motto „Hilfen gegen Auflagen“ bislang nur sehr begrenzt aufgegangen ist. Zwar haben es die Verantwortlichen in Athen in den vergangenen Jahren geschafft, den aufgeblähten Beamtenapparat zu beschneiden. Schwerer wiegen aber die Versäumnisse in einem Land, das immer noch kein funktionierendes Katastersystem hat und dessen Bewohner nach Lust und Laune Steuern zahlen – oder eben nicht.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Es geht nicht darum, Griechenland fallen zu lassen. Die Europäer müssten Griechenland im Fall eines „Grexit“ erst recht unterstützen, um die dann drohenden wirtschaftlichen Verwerfungen auszugleichen. Aber wäre es nicht ehrlicher, Entwicklungshilfe für Griechenland zu leisten, als die Regeln für den Euro permanent politisch so zurechtzubiegen, damit das Land weiter der Währungsunion angehören kann?
Es gibt für Griechenland und seine EU-Partner keine gute Lösung mehr. Vielleicht ist der „Grexit“ doch nicht die schlechteste.