Putins Waffenbruder aus Belarus: Greift Lukaschenko in den russischen Krieg ein?
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko steht tief in Putins Schuld. Jetzt im Krieg in der Ukraine könnte der Tag kommen, an dem er sie begleichen muss.
Der ukrainische Militärgeheimdienst ist sicher: In den nächsten ein, zwei Tagen werde Belarus an der Seite der russischen Truppen in den Krieg eintreten. Machthaber Alexander Lukaschenko habe die Entscheidung getroffen, „ungeachtet des Widerwillens der einfachen Soldaten und der Bevölkerung von Belarus“, wie die „Ukrainska Prawda“ am Sonntag eine ungenannte Quelle im Geheimdienst zitierte.
Diese Mitteilung ist zweifellos interessengesteuert. Man kann sie als Appell an den Durchhaltewillen der eigenen Landsleute lesen, dass Kiew davon ausgeht, der Krieg werde weiter eskalieren, der Ukraine drohten neue Gefahren und neues Leid. Oder aber als eine Warnung an das Nachbarland: Wagt es nicht! Wir sind bereit, uns auch gegen euch zu verteidigen! Diese Botschaft sandte der ukrainische Generalstab am Wochenende aus.
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Seit Kriegsbeginn hat Machthaber Lukaschenko immer wieder betont, dass er den Krieg gegen die Ukraine für völlig gerechtfertigt hält und loyal an der Seite des Kremls steht.
Am 11. März traf er sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dabei wurde vereinbart, dass man sich gemeinsam gegen die Sanktionen des Westens stemmen werde. Moskau liefert Lukaschenko Waffen, „darunter die modernsten Muster der Kriegstechnik“, wie es im Kommuniqué über den Besuch heißt, und Belarus exportiert mehr Nahrungsmittel nach Russland.
Lukaschenko hat aber auch wiederholt betont, Belarus werde sich nicht an der Invasion beteiligen - zuletzt in der vergangenen Woche in einem ausführlichen Interview für die japanische TV-Station TBS. Die Ukraine habe „eine feindliche Position gegen Belarus“ eingenommen, sagte er dort: Sie habe Kämpfer gegen Belarus ausgebildet und Sprengstoff und Waffen ins Nachbarland geschmuggelt, um ihn zu stürzen.
Dennoch, so Lukaschenko, habe er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereits am vierten Kriegstag angerufen und ihm unverzügliche Verhandlungen mit Russland vorgeschlagen. Die seien dann auf seine Initiative und auf belarussischem Boden zustande gekommen, erklärte Lukaschenko den japanischen Journalisten. Inzwischen werden sie in Videokonferenzen geführt.
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In dem Interview hatte sich Lukaschenko selbst Fragen gestellt, um zu bekräftigen, dass Belarus sich nicht am Krieg beteilige: „Was, glauben Sie, könnten wir Russland geben? Was die Zahl der Soldaten angeht, haben sie dort selbst genügend von ihren eigenen Kräften. Können wir ihnen etwas an Waffen geben? Nein. Wir kaufen alles in der russischen Föderation. Sie haben alles - und besseres. Man wird uns nicht rufen.“
Fast schien es, als wolle Lukaschenko den Kurs wiederholen, den er im Jahre 2014 während der russischen Annexion der Krim einhielt: Loyalitätserklärungen Richtung Moskau, aber gleichzeitig ein vorsichtiges Balancieren auf neutralen Positionen, um nicht alle Brücken in westlicher Richtung und vor allem nicht alle Brücken zu seinem eigenen Volk abzubrechen. Doch diese Verbindungen, die es damals durchaus noch gab, sind inzwischen zerstört.
Wenn Putin mehr will, wird er es bekommen
Nach der blutigen Niederschlagung der Oppositionsbewegung im Herbst und Winter 2020 ist der Handlungsspielraum Lukaschenkos faktisch bei Null und seine Abhängigkeit von Moskau vollständig. Nur dank Putin kann sich Lukaschenko an der Macht halten. Er selbst hat das Verhältnis bei seinem jüngsten Besuch in Moskau so formuliert, die Agentur „Ria Novosti“ gibt ihn wieder: Russland und Belarus seien ein untrennbares Ganzes in der Wirtschaft und auf militärischem Gebiet.
In den Krieg hat Lukaschenko sein Land bereits hineingezogen. Er stellte russischen Truppen lange vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen den Aufmarschraum zur Verfügung und ließ seine Soldaten gemeinsame Manöver durchführen. Russische Kampfflugzeuge starten nun in der vierten Woche auch von belarussischen Flugplätzen zu ihren Angriffen auf die Städte im Nachbarland.
Der Nachschub, wiewohl er offenbar schlecht funktioniert, erfolgt auch aus Munitions- und Tanklagern in Belarus. In belarussischen Hospitälern werden verwundete russische Soldaten versorgt. Angesichts all dessen scheint wahrscheinlich: Wenn Putin mehr von Lukaschenko will, wird er es bekommen.