EU-Regierungen treffen aufeinander: Gibt es jetzt eine Woche Streit?
In den nächsten Tagen haben die Regierungen der EU Gelegenheit, lang schwelende Konflikte anzugehen. Worum es geht.
Es gibt viel zu besprechen in Europa. Die stark steigenden Energiepreise beunruhigen die Menschen, im Streit der EU mit Polen droht eine Eskalation und auch die neuen Probleme in Sachen Brexit drücken mächtig auf die Stimmung.
Die Gelegenheit zum Meinungsaustausch bietet sich diese Woche auf sehr vielen Ebenen: Das Parlament tagt in Straßburg, die EU-Außenminister in Luxemburg und in Brüssel steht nicht nur ein Nato-Treffen der Verteidigungsminister auf dem Programm, sondern auch der Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
Zu erwarten ist, dass einige offene Worte gewechselt werden, denn Streitpunkte gibt es im Moment mehr als genug. Mit großer Spannung erwartet wird der Auftritt von Mateusz Morawiecki. Der polnische Premier wird am Dienstag im Europaparlament mit den Abgeordneten über den Stand der Rechtsstaatlichkeit in seinem Land diskutieren.
Erwartet wird eine sehr lebhafte Debatte, zumal der Justizausschuss des Parlaments kurz vor Morawieckis Auftritt von der EU-Kommission forderte, den Druck auf Polen deutlich zu erhöhen.
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Beim Thema Rechtsstaatlichkeit scheinen die Nerven auch in anderen EU-Staaten blank zu liegen. Das zeigen mehrere Twitter-Attacken des slowenischen Regierungschefs Janez Jansa auf EU-Abgeordnete in diesen Tagen. Wegen der verbalen Ausfälle hat sich sogar der Präsidenten des Europaparlaments zu Wort gemeldet.
David Sassoli schrieb, ebenfalls auf Twitter, der rechtspopulistische Premier solle die Provokationen unterlassen. Grund der Aufregung ist ein Besuch von Mitgliedern des Justizausschusses in Slowenien, um sich ein Bild etwa von Rechtsstaat und Medienfreiheit in dem Land zu machen.
Janez Jansa erregte sich vor allem über eine Äußerung der EU-Parlamentarier, dass slowenische Regierungsmitglieder sich an Debatten beteiligten, „die für eine zivilisierte und demokratische Gesellschaft unangemessen“ seien. Woraufhin der Premier über Twitter wilde Verschwörungsmythen verbreitete.
Was tun gegen steigende Energiepreise
Einige Reibungspunkte wird es auch auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel geben. Im Zentrum der Beratungen werden die stark gestiegen Energiepreise stehen. EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit warnte bereits vor „Energiearmut“ in Europa. Es gebe schon jetzt Millionen Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen könnten, sagte er „und diese Zahl könnte noch größer werden“.
Zwar könne die EU-Kommission den EU-Ländern helfen, die Auswirkungen der derzeit hohen Energiepreise für die Menschen zu begrenzen, aber es sei primär Sache der nationalen Regierungen, Maßnahmen zu ergreifen. Unstimmigkeit herrscht aber darüber, wie diese Hilfen europaweit koordiniert und innerhalb der geltenden Regeln für den EU-Binnenmarkt ausfallen sollen.
Noch mehr Differenzen gibt es über mittelfristige Maßnahmen, die Energiepreise zu kontrollieren. Dabei dürfte auch die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 ein Thema werden.
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Bei den Treffen der Außenminister in Luxemburg und der Verteidigungsminister Brüssel wird der wenig ruhmreiche Abzug der Truppen aus Afghanistan ein wichtiges Thema sein. Denn dieser wirft die fundamentale Frage auf, wie sich die Nato und damit auch die Staaten der Europäischen Union in Zukunft strategisch überhaupt aufstellen wollen.
Im Mittelpunkt steht dabei die Aussage des US-Präsidenten Joe Biden, dass sich Washington in Zukunft vor allem auf die Sicherheit des eigenen Landes konzentrieren werde, bevor man sich um Krisenherde in anderen Staaten kümmere. Dieser Satz sorgte bei den Partnern natürlich für einige Unruhe. Denn ohne die Truppen der USA, so heißt es in deutschen Nato-Kreisen hinter vorgehaltener Hand, geht in dem Bündnis praktisch nichts.
Frankreich und Großbritannien entzweien sich immer mehr
Sorge bereitet allerdings auch das angespannte Verhältnis einiger Nato-Mitglieder untereinander. Dabei steht dieses Mal allerdings nicht die Türkei im Mittelpunkt, sondern Frankreich und Großbritannien. Das Verhältnis der beiden Staaten ist so schlecht wie selten zuvor.
Das liegt nicht nur an dem jüngst vereinbarten Atom-U-Boot-Deal, den Großbritannien gemeinsam mit den USA und Australien aushandelte und durch den ein Milliardengeschäft zwischen Frankreich und Australien platzte. Immer stärker belastet der Brexit das Verhältnis der beiden Atommächte. Es hat zwar die Bereitschaft gegeben, die Beziehungen, die vor allem auf Verteidigung und Sicherheit ausgelegt sind, vom Brexit zu trennen.
Doch die gegenseitigen Angriffe beider Seiten während der Verhandlungen über den britischen EU-Austritt waren so rüde, dass zwischen Paris und London längst eine Eiszeit herrscht. Französische Politiker geben sich inzwischen bei öffentlichen Auftritten keine Mühe mehr, ihren tiefen Groll zu verbergen. Tenor der Aussagen: Großbritannien habe jede Glaubwürdigkeit verspielt.
Knut Krohn