Nach Grundsatzeinigung zur Brexit-Erklärung: Gibraltar und Fischerei bleiben ungelöste Probleme
Bis zum Brexit-Sondergipfel bleibt der EU noch Zeit, um offene Fragen zu Gibraltar und EU-Fangrechten zu klären. Der Grundkonsens aber steht.
Vor dem Brexit-Gipfel am Sonntag sind die Unterhändler der Europäischen Union und Großbritanniens einen entscheidenden Schritt weiter - aber noch nicht am Ziel. Beide Seiten einigten sich „im Prinzip“ auf eine politische Erklärung zu ihren künftigen Beziehungen nach dem EU-Austritt Großbritanniens 2019, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag bestätigte.
Ungeachtet der Grundsatzeinigung sind aber noch nicht alle Probleme des britischen EU-Austritts geklärt. Die Fragen zum britischen Territorium Gibraltar auf der iberischen Halbinsel und zu den Fangrechten von EU-Fischern in britischen Gewässern müssten "noch gelöst werden", sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel. Zeit dafür wäre noch bis zum Brexit-Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag, wenn die Erklärung zu den künftigen Beziehungen und der Austrittsvertrag verabschiedet werden sollen.
Premierministerin Theresa May bekräftigte derweilen den britischen Anspruch auf das Territorium Gibraltar. Die britische "Souveränität" über das Territorium müsse auch nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU "geschützt" werde, sagte sie am Donnerstag vor dem Unterhaus in London.
Die Regierung in Madrid hatte Änderungen am Entwurf des Austrittsvertrags verlangt, weil sie Festlegungen über den künftigen Status von Gibraltar fürchtet. Das Gebiet am Südzipfel der Iberischen Halbinsel steht seit 1713 unter britischer Souveränität, wird aber von Spanien beansprucht. Der Kommissionssprecher schwieg sich aus, wie eine Lösung aussehen könnte. „Warten wir es ab“, sagte er. Auch Vorbehalte anderer EU-Staaten wegen des künftigen Zugangs zu Fischgründen vor britischen Küsten bestünden fort, bestätigte er.
Für Samstag plant May eine allerletzte Verhandlungsrunde in Brüssel. Auch Kanzlerin Angela Merkel sah am Donnerstag noch Klärungsbedarf. „Wir sind einen Schritt vorangekommen, aber es wird sicherlich noch vieler Diskussionen insbesondere auch in Großbritannien benötigen“, sagte Merkel, fügte aber an: „Ich werde alles daran setzen, dass wir ein Abkommen hinbekommen.“
Knapp 600 Seiten Austrittsvertrag
Großbritannien will die EU am 29. März 2019 verlassen. May hatte vorige Woche mit Brüssel den Entwurf eines knapp 600 Seiten starken Austrittsvertrags vereinbart. Verhandelt wurde zuletzt noch über eine ergänzende politische Erklärung. Diese soll die Grundlage für ein umfassendes Partnerschaftsabkommen sein, das in einer Übergangszeit nach dem Brexit geschlossen werden soll. Am Donnerstag bestätigte Tusk, dass der Entwurf an die EU-Staaten zur Prüfung gegangen sei. May kündigte eine Erklärung im britischen Parlament an.
Der Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht eine „ehrgeizige, breite, tiefe und flexible Partnerschaft über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Strafverfolgung und Strafjustiz, Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung und weitere Felder der Kooperation“ vor. Die Rede ist von einer „ehrgeizigen, weitreichenden und ausgewogenen wirtschaftlichen Partnerschaft“ und „ehrgeizigen Zollarrangements“ auf Grundlage des schon im Austrittsvertrag angedachten „einheitlichen Zollgebiets“. Einzelheiten bleiben offen.
Geklärt wurde aber eine andere Frage: Die Unterhändler einigten sich auf eine Option, die zunächst bis Ende 2020 vorgesehene Übergangsphase nach dem Brexit einmal um „bis zu einem oder zwei Jahre“ zu verlängern. Damit könnte nach dem Brexit bis Ende 2022 faktisch fast alles bleiben wie gehabt. In der Übergangsphase muss Großbritannien weiter EU-Regeln einhalten und Beiträge nach Brüssel überweisen, ohne weiter in EU-Gremien vertreten zu sein.
Keine Mehrheit im britischen Parlament in Sicht
May sieht derweilen noch Klärungsbedarf. Ihr Sprecher bekräftigte am Donnerstag, dass die Premierministerin am Samstagabend - also wenige Stunden vor dem Sondergipfel - noch einmal mit Juncker zusammenkommen wolle. Der Kommissionssprecher sagte dazu: „Es ist der Moment zu sehen, wo wir sind“, sagte er.
May steht wegen der Vereinbarungen mit der EU im eigenen Land massiv unter Druck. Im britischen Parlament ist für das Vertragspaket keine Mehrheit in Sicht. Widerstand gibt es sowohl in Mays konservativer Partei als auch bei ihrem Partner im Parlament, der nordirischen DUP sowie bei der Labour-Opposition. (dpa)