Kachelmann gegen Bild-Zeitung: Gezielter Rechtsbruch aus Kalkül
Halb Deutschland hatte private Dinge über Jörg Kachelmann gehört, die weder strafbar noch relevant für den Vergewaltigungsvorwurf waren. Am Ende des Prozesses wurde der frühere Wettermoderator freigesprochen. Beruflich aber war er erledigt. Ein Kommentar.
Jörg Kachelmann hat ein Rekord-Schmerzensgeld zugesprochen bekommen. 635 000 Euro muss der Springer-Verlag an den früheren Wettermoderator zahlen, gegen den in den Jahren 2010 und 2011 ein spektakulärer Vergewaltigungsprozess lief, für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Berichterstattung der „Bild“-Zeitung und von „Bild Online“. Halb Deutschland hatte private Dinge über Kachelmann gehört, die weder strafbar noch relevant für den Vergewaltigungsvorwurf waren. Am Ende des Prozesses wurde Kachelmann freigesprochen. Beruflich aber war er erledigt.
So gesehen ist das Schmerzensgeld ein schwacher Trost. Eine derartige Summe hat es in der deutschen Presserechtsgeschichte noch nicht gegeben – anders als in Amerika sind Gerichte hier zurückhaltend. Millionen-Schmerzensgelder gibt es bei uns nicht, weil der Strafgedanke nahezu keine Rolle bei der Bemessung einer Schmerzensgeldsumme spielt.
Diese Zurückhaltung hat sogar schon dazu geführt, dass Deutschland zahlen musste, weil seine Gerichte einer Klägerin keinen ausreichenden Schutz geboten hatten: Prinzessin Caroline von Monaco kam erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ihrem Recht. Deutschland musste ihr im Jahr 2005 Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen. Bricht man in Kachelmanns Fall das Geld allerdings auf die einzelne Rechtsverletzung herunter – das Gericht hat mehr als 30 davon anerkannt –, so relativiert sich die Summe schnell. Kachelmann reicht sie nicht, dem Springer-Verlag ist sie zu hoch, und so werden sich die Parteien wohl bald vor dem Oberlandesgericht Köln wiederfinden.
Der gezielte Rechtsbruch ist in spektakulären Fällen einfaches Kalkül
Tatsächlich ist es eine Tendenz der Rechtsprechung, dass Schmerzensgelder steigen, nicht nur im Medienrecht. Bloß mit den Relationen scheint etwas nicht zu stimmen. Wenn durch einen Klinikfehler nach einer gesunden Schwangerschaft ein schwerstbehindertes Baby zur Welt kommt, sind 500 000 Euro schon viel an Schmerzensgeld, obwohl die erlittene Verletzung viel gravierender ist. Stirbt gar jemand, gibt es selten mehr als 20 000 Euro, denn der Verletzte hat keine Schmerzen – er ist ja tot. Die Hinterbliebenen sind in dieser Denkweise nur dann Opfer, wenn sie einen Schockschaden belegen können.
Der gezielte Rechtsbruch ist in spektakulären Fällen einfaches Kalkül. Wie viel Auflage machen wir, welche Klickzahlen werden erreicht? Ein Teil des Geldes, das hereinkommt, wird dann eben von der Rechtsabteilung wieder ausgegeben. Diese Rechnung können nur hohe Schmerzensgelder zerstören. Mit ihrer finanzstarken Rechtsabteilung hat „Bild“ schon viele Urteile erstritten, die am Ende hilfreich waren. So verabscheuungswürdig die Praktiken von „Bild“ auch sein mögen – für die Pressefreiheit als Ganzes ist das Krawallblatt oft von Nutzen.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität