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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
© Reuters

Die Koalition und der Haushalt: Gezerre um Schäubles Schwarze Null

Die Bundesregierung hat die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Ist da der Etat ohne neue Schulden 2015 noch machbar? In der Koalition bahnen sich Spannungen an.

Die Schwarze Null – sie hat das Zeug zum Wort des Jahres 2014. Denn wenn jetzt nicht, wann dann? Schließlich könnte die Karriere des Schlagworts schon bald zu Ende sein. Das Wirtschaftswachstum wird schwächer. Die Bundesregierung hat ihre Prognose deutlich nach unten, rechnet aber nicht mit einem Konjunktureinbruch in Deutschland. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte am Dienstag mitgeteilt, dass man für 2014 nur noch vom einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,2 Prozent ausgeht - im Frühjahr hatte die Regierung noch mit 1,8 Prozent gerechnet. Und damit wächst die Gefahr für die Schwarze Null, auch wenn Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sich verständigt haben, vorerst am Projekt des ausgeglichenen Haushalts festzuhalten. Die Schwarze Null steht für das Vorhaben von Union und SPD, dauerhaft zu einem Bundeshaushalt ohne neue Schulden zu kommen. Erstmals seit 1969. „Wir wollen nachhaltig ausgeglichene Haushalte. Wir werden Einnahmen und Ausgaben des Bundes so gestalten, dass der Bund ab dem Jahr 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt und beginnend mit dem Jahr 2015 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufstellt.“ So steht es im Koalitionsvertrag. Und so haben es die Parteichefs in der Koalitionsrunde in der vorigen Woche nochmals bekräftigt.

Was geht in der SPD vor?

Nun aber hat mit der Korrektur der Wachstumsprognosen in der SPD das Rumoren begonnen. Dort wächst die Zahl derer, die glauben, der Staat müsse gegensteuern. Vom linken Parteivize Ralf Stegner stammt diue Einschätzung: „Die Schwarze Null ist eben keine sozialdemokratische Null“, was den CDU-Generalsekretär Peter Tauber zu der Replik reizte, Stegner sei die „rote Null“. Der oberste Haushaltspolitiker der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, wurde in der „Süddeutschen Zeitung“ mit der Äußerung zitiert, dass er – sollte sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtern und Deutschland in eine Rezession rutschen – bereit wäre für einen Nachtragsetat mit einem „groß angelegten kommunalen Investitionsprogramm“. Und das geht nur mit mehr Schulden oder höheren Steuern oder einem Mix von beidem. Oder mit Kürzungen anderswo im Etat. Schneider drehte damit die offizielle Sprachregelung einen Tick weiter, die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zu Protokoll gegeben hat: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinerlei Grund, vom Kurs einer schwarzen Null und dem Ziel einer Haushaltskonsolidierung abzuweichen.“

Wie positioniert sich Wirtschaftsminister Gabriel?

So werden die finanzpolitischen Fronten zwischen Union und SPD klarer. Die Union hat die Schwarze Null zum Markenkern erklärt und will partout daran festhalten, und zwar bis zur Wahl 2017, um als Partei der soliden Finanzen antreten zu können. Gabriel dagegen scheint sich für eine Politik des Abwartens entschieden zu haben – wenn es klappt mit der Schwarzen Null bis 2017, dann ist es auch ein SPD-Projekt gewesen, wenn nicht, dann ist man im Gegensatz zur Union eben früher klug geworden und hat sich rechtzeitig für mehr Wirtschaftsankurbelung entschieden. Das ist wohl der Grund, dass Gabriel am Montag im SPD-Vorstand ungehalten war über Stegners Äußerung. Den Kritikern der Schwarzen Null soll er entgegengehalten haben: „Ihr kapiert es nicht.“

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
© AFP

Doch Gabriel bereitet eine aktivere Investitionspolitik vor für den Fall, dass das Wachstum deutlicher nachlassen sollte. Schon das zweite Quartal 2014 sah ja ein Minus (nach allerdings starken Monaten im Winter). Sollte das dritte Vierteljahr ebenfalls ein Minus aufweisen gegenüber dem Vorquartal, wäre die Rezession sogar schon da – bisher wird aber nur eine Stagnation erwartet.

Eine Kommission baut vor

Gabriel baut entsprechend vor. Er hat den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, zum Chef einer Ministeriumskommission gemacht, die sich die Köpfe darüber zerbrechen soll, wie man zu mehr Investitionen kommen kann. Vorerst ist es Koalitionslinie, die Investitionstätigkeit der Wirtschaftsunternehmen zu verbessern - etwa indem man die Rahmenbedingungen ändert, was ohnehin ein Auftrag des Koalitionsvertrags ist.vorzieht. Fratzscher gehört zu den Ökonomen, die jetzt schon mehr Staatstätigkeit in Erwägung ziehen. Die wirtschaftliche Lage sei „alles andere als hervorragend“, sagt er. Bei einem Verfehlen des jetzt erwarteten Wachstum von 1,2 Prozent im kommenden Jahr sei das Koalitionsziel nicht mehr erreichbar. Dann habe er „die Hoffnung und Erwartung, dass es zu einer Abkehr von der Schwarzen Null kommen wird“. Die Schuldengrenze im Grundgesetz erlaubt dem Bund eine jährliche Verschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das wären etwa zehn Milliarden Euro.

Die zu nutzen empfehlen schon jetzt auch einige SPD-Politiker in den Ländern. Der Düsseldorfer Finanzminister Norbert Walter-Borjans etwa. Der Schuldenspielraum des Bundes sei nicht ohne Grund in die Verfassung gekommen. „Die schwarze Null auf Teufel komm raus ist nicht nur eine überzogene Form der Schuldenbremse. Sie ist in der gegenwärtigen Konjunkturlage zugleich Investitionsbremse und Konjunkturbremse. Das bringt Deutschland nicht nach vorn, das wirft uns zurück“, sagte er dem Tagesspiegel. Staatsinvestitionen, etwa in die Verkehrswege, hätten einen jahrelangen Nutzen. Dann sei auch eine mehrjährige Abfinanzierung gerechtfertigt. "Das Beharren auf der schwarzen Null ohne Rücksicht auf die Folgen ist dagegen die unvermittelte Vollbremsung, nur weil quietschende Bremsen Entschlossenheit und Stärke signalisieren sollen. Die Crash-Gefahr nimmt man dafür offenbar in Kauf", sagte Walter-Borjans.

Was könnte die Regierung tun – mit welchen Folgen?

Die Regierung hätte zwei Möglichkeiten, der Konjunktur aufzuhelfen. Eben jene Investitionen, über die schon eifrig diskutiert wird, oder auch eine Konsumspritze, etwa über eine Steuersenkung oder ein Äquivalent zu der am Anfang der Finanzkrise recht wirkungsvollen Abwrackprämie für Altautos. Investitionen in die Infrastruktur haben das Problem, dass es längere Vorlaufzeiten braucht für die Planung von Hoch- und Tiefbaumaßnahmen. Die meisten Ökonomen empfehlen daher die früher üblichen großen Investitionsprogramme kaum noch. Nicht umsonst spricht Carsten Schneider von einem Kommunalprogramm, ähnlich wohl der kommunalen Investitionspauschale Anfang der 90er Jahre - die freilich häufig zu Fehlinvestitionen führte, das Geld musste halt irgendwie abfließen. Mehr Mittel in Bildung, wie Stegner forderte, könnten auch zu Schwierigkeiten führen, denn in den Wissenschaftssektor fließt jetzt schon erheblich mehr Geld als noch vor einigen Jahren, vor allem der Bund hat seinen Bildungsetat erhöht, ohne dass wirklich sicher ist, dass diese Ausgaben auch das Wachstum fördern und nicht nur den Konsum, indem einfach mehr Leute in neue Stellen kommen. Steuersenkungen oder andere Entlastungen wären ein Mittel, doch dürfte der Abstimmungsprozess zäh sein, weil bei allen großen Steuerarten der Bundesrat mitredet.

Wie reagiert die Union?

In der Union werden angesichts des sich verändernden Szenarios die Reihen geschlossen. Schäuble, der die Schwarze Null zu seinem ganz eigenen Projekt gemacht hat, soll gestützt werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sieht gar schon taktische Vorteile für seine Seite. „Die Union ist quasi der haushaltspolitische Stabilitätsanker“, sagte er am Dienstag. Die Unionsspitze belässt es freilich nicht bei der Verteidigung, sondern versucht ihrerseits zum Angriff überzugehen. Schon seit längerem verkünden Unionspolitiker, nach den sozialpolitischen Wohltaten des ersten schwarz-roten Regierungsjahres müsse jetzt Schluss sein mit weiteren Sozialprojekten, zumal solchen, die die Wirtschaft belasteten. Bisher war das zugleich mit der Versicherung verbunden, dass man vertragstreu sei und deshalb SPD-Projekte noch umsetzen werde, soweit sie im Koalitionsvertrag stünden. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte nun allerdings: Angesichts der Eintrübungen der Konjunktur solle man doch mal überlegen, ob man sich mit solchen Projekten nicht ein bisschen Zeit lassen sollte. Ob Reformen etwa bei den Werk- und Zeitverträgen „jetzt wirklich so zwingend“ seien, solle man sich noch mal anschauen. Ebenso die Details der Frauenquote. Grosse-Brömer geht sogar noch weiter: Die Frauenquote werde „in Teilen der Wirtschaft“ und in Teilen der Unionsfraktion als Belastung gesehen – die Union habe deshalb den Wunsch, ihre Einführung mit einem Entlastungsprogramm für die Wirtschaft „in schwierigen Zeiten“ zu koppeln. Gabriel solle sich da doch mal Gedanken machen – beispielsweise in Richtung von Bürokratieabbau für Startup-Unternehmen. Beim Koalitionspartner lösen solche Ideen gereizte Reaktionen aus. „Es ist eine Unverschämtheit, wenn Frauen in Führungspositionen als Belastung für die Wirtschaft dargestellt werden“, schimpft Familienministerin Manuela Schwesig. Die Schwarze Null – sie wird die schwarz-rote Koalition noch beanspruchen.

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