Karl-Theodor zu Guttenberg im Wirecard-Ausschuss: Getäuschter Berater
Und als Lobbyist kein Täuscher: Wie der Ex-Bundesminister im Bundestag seine Rolle in der Wirecard-Affäre darstellt.
Karl-Theodor zu Guttenberg weiß, wie man auftritt, wenn man agil wirken will, locker und gewillt. Er ist mit seinem Anwalt Christian Schertz gekommen, beide ohne Krawatte, der Eindruck soll sein: Man nimmt die Sache ernst, aber auch nicht zu förmlich. Im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages ist er am Donnerstag der Hauptzeuge – bei dem bisher politischsten Befragungstermin des Gremiums. Es ging um die Umstände, wie die Bundesregierung, inklusive der Kanzlerin, dazu gebracht wurde oder sich dazu bringen ließ, dem mittlerweile insolventen ehemaligen Dax-Unternehmen Hilfe beim Marktzugang in China zu leisten.
Und da ist Guttenberg, der frühere Bundesminister, alles andere als eine Randfigur. Denn ein Gespräch zwischen ihm und Angela Merkel kurz vor deren Reise nach Peking im September 2019 spielt eine zentrale Rolle in dem Szenario, das es aufzuklären gilt. Neben dem möglichen Versagen von Aufsichtsbehörden in der Verantwortung des Finanz- und des Wirtschaftsministeriums geht es um schlichte Fragen an die politische Spitze Deutschlands. Wie konnte es passieren, dass die Regierungschefin in einen Vorgang verwickelt wurde, der aus heutiger Sicht mehr als peinlich ist?
Schlichte Fragen
Denn sie verwendete sich für Wirecard in den Gesprächen mit der chinesischen Regierung, also für ein Unternehmen, das zu diesem Zeitpunkt schon jahrelang ein System der Bilanzfälschung betrieb – über das in der Presse, vor allem der britischen „Financial Times“, auch schon berichtet worden war. Wie kam es, dass bis in die oberste Ebene der Regierung hinein keine oder zu geringe Zweifel am Geschäftsgebaren von Wirecard bestanden – obwohl es spätestens im Frühjahr 2019 Gründe dafür gegeben hätte? Guttenberg will vor allem eines klarstellen: Dass er sich wie viele andere als Opfer des Wirecard-Managements sieht. „Wirecard hat uns alle getäuscht“, sagt der frühere CSU-Spitzenpolitiker. Dabei gehört er zu denen in dieser Affäre, die eine größere Nähe zu dem Unternehmen hatten als die politische Ebene in Berlin. Denn Guttenbergs Beratungsfirma Spitzberg Partners, in New York und Washington ansässig, war im Auftrag von Wirecard unterwegs. Und zwar gezielt mit dem Auftrag, das Unternehmen mit Sitz in Aschheim bei München beim Marktzugang in China zu unterstützen.
Kein Lobbying als Vertragsleistung
Wobei, so Guttenberg, Lobbying nicht zu den vertraglich vereinbarten Leistungen gehört habe, für die über mehrere Jahre hinweg nach seiner Aussage 760<ET>000 Euro bezahlt wurden – keine Summe, die aufregend wirkt in diesem Metier. Überhaupt sei Lobbying, so will Guttenberg es gleich eingangs verstanden wissen, gar nicht im Angebot seiner Firma. 99 Prozent der Anfragen für eine solche Tätigkeit – also salopp gesagt das Türenöffnen in der Politik – würden bei ihm abgelehnt. Und er beteuert: „Hätten wir gewusst, dass das Geschäftsmodell von Wirecard offenbar auf Betrug basiert, hätten wir dieses Dax-Unternehmen niemals beraten.“ Doch habe man von den „offensichtlich höchstkriminellen und illegalen Handlungen“ so spät erfahren wie andere Geschäftspartner auch.
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Immerhin erwähnt Guttenberg, dass er nachgehakt habe – er kannte ja die Verdächtigungen in der Presse. Sogar beim Wirecard-Chef Markus Braun persönlich, der ihn – aber da muss man Guttenbergs Aussagen interpretieren – wohl geschickt um den Finger gewickelt hat. Skurril, bizarr, aber nicht unsympathisch, so lässt sich Guttenbergs Beschreibung der wenigen direkten Begegnungen zusammenfassen. Die beiden landeten beim gegenseitigen Du, wobei Braun laut Guttenberg angefangen hat.
Aber ein bisschen Lobbying dann schon
Dass es nicht ganz ohne Lobbying abging, das gibt der einstige deutsche Politikstar, der 2011 über eine Plagiatsaffäre gestolpert war, dann doch zu. Bei Marktzugang in China – im Fall Wirecard war es die geplante Beteiligung an dem Finanzdienstleister Allscore – seien direkte Kontakte der Regierungen unabdingbar, sagt Guttenberg. Anders komme man in der staatlich gelenkten Wirtschaft im Reich der Mitte nicht weiter. Und so haben er und sein Kompagnon bei Spitzberg, Ulf Gartzke, ihre Beziehungen, Vernetzungen und Bekanntschaften eingesetzt – außervertraglich sozusagen, wegen der Komplexität der Sache, wie Guttenberg es auch auf Nachfrage erklärt.
Ja, er habe hier Lobbying betrieben. Erst über die deutsche Botschaft in China, dann über den Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt im Bundesfinanzministerium, den wohl engsten Vertrauten von Olaf Scholz dort, und schließlich eben über die Kanzlerin. Dass Braun auch auf eigene Faust versucht hatte, im Kanzleramt einen Termin zu bekommen, habe er nicht mitbekommen, berichtet Guttenberg. Auch nicht die Versuche von Wirecard, den früheren Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Fritsche, zu diesem Zweck einzusetzen.
Privat und persönlich
Und wie war es dann bei der früheren Kabinettschefin an jenem 3. September 2019? Das Treffen mit Merkel bezeichnet Guttenberg als privat und persönlich. Offenbar haben die beiden sich über die Jahre seit seinem Ausscheiden aus der Politik mehrfach getroffen, einmal im Jahr etwa. Es gab keine „Agenda“, also keine verabredeten Themen, es wurde nicht protokolliert. Es war ein Vieraugengespräch. Man habe viel über die Situation in den USA geredet. Merkel habe dann ihre China-Reise erwähnt, und da habe er dann das Wirecard-Projekt angesprochen, kurz nur.
Merkel habe darauf gesagt, dann könne ein Hinweis auf das Projekt in Peking ja hilfreich sein – ohne sich explizit festzulegen, wie Guttenberg versichert. Und das war es. Aber es nagt in ihm, das kann er nicht verbergen. Er habe Merkel nicht wissentlich „in einen dubiosen Deal verwickelt“, fügt er der Erzählung hinzu. Über die Jahre habe er ein professionelles Vertrauensverhältnis mit „der Frau Bundeskanzlerin“ entwickelt. Das würde er nicht für einen Klienten aufs Spiel setzen. Merkel selbst wird im kommenden Jahr im Ausschuss aussagen. Ein Treffen mit Guttenberg hat es nach jenem Termin vor der China-Reise nicht mehr gegeben.
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