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Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, ist sich in der Frage noch unschlüssig.
© Kay Nietfeld/dpa

Spahns Vorschlag zur Impf-Abfrage: Gesundheit oder Datenschutz? Die Rechtslage ist kompliziert

Der Minister will Betrieben ein Recht geben, den Impfstatus Beschäftigter abzufragen. Offen bleibt vieles – auch, ob diese antworten müssen. Eine Analyse.

„Ich tendiere zunehmend zu ja.“ Der Satz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), geäußert in einer Talkshow am Montagabend, gibt einer bereits länger laufenden Diskussion neuen Auftrieb. Sollen Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abfragen dürfen? Und was folgt daraus?

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Die Rechtslage ist kompliziert, die Antworten sind uneindeutig. Spahn erwägt dafür eine zeitweilig geltende Gesetzesänderung, die freilich nicht er, sondern das Parlament beschließen müsste. Für ihn liegt der Vergleich mit Restaurants nahe, die ja auch nach Impfungen fragen dürften. Warum also Arbeitgeber nicht? Spahns Logik: „Wenn alle im Großraumbüro geimpft sind, kann ich damit anders umgehen, als wenn da 50 Prozent nicht geimpft sind“.

Dass es so einfach nicht ist, zeigt sich schon im Widerstand der Arbeitnehmerseite. Die Forderung sei ein „No-Go“, schimpft Anja Piel vom Deutschen Gewerkschaftsbund. „Die Information, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz, sie hat Arbeitgeber nicht zu interessieren.“ Spahns Idee sei ein „unlauterer Versuch“, die Verantwortung für den Arbeitsschutz auf die Beschäftigten abzuwälzen.

Grund dafür, dass die Diskussion jetzt wieder aufgeflammt ist, dürfte eine Mischung aus Kabinettszeitplanung und Wahlkampfdynamik sein. Am Mittwoch soll die Regierung eine neue Covid-Arbeitsschutzverordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschließen. Sie soll Arbeitgebern die Möglichkeit geben, beim betrieblichen Infektionsschutz zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten geimpft oder genesen sind – wenn ihnen dieser Status positiv bekannt ist.

Auch Arbeitgebervertreter wollen ein Fragerecht

Arbeitgebervertreter fordern jedoch, ihn aktiv erfragen zu dürfen. Sie finden es absurd, kostenlose Tests anbieten zu müssen, während ihnen eine Feststellung des Impfstatus weiter verboten sei.

Allerdings könnte Heils Verordnung der falsche Platz dafür sein. Das Thema ist grundrechtssensibel, weshalb es womöglich besser über ein förmliches Parlamentsgesetz geregelt würde. So sieht es wohl auch Heil selbst, der Spahn am Dienstag aufforderte, seinerseits einen Gesetzesvorschlag zu machen. Im Infektionsschutzgesetz (IfSG), für das in der Ressortverteilung der Regierung das Gesundheitsministerium zuständig ist. Auf eine Anfrage des Tagesspiegels, wie Spahn sich dies konkret vorstellt, gab es zunächst keine Antwort.

Verweigert ein Angestellter die Auskunft, kann der Betrieb reagieren

Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern eine entsprechende Befugnis einzuräumen, erscheint grundsätzlich möglich. So enthält das IfSG schon jetzt in Paragraf 23a eine Erlaubnis, personenbezogene Daten von Beschäftigten über deren Impfstatus zu verarbeiten. Die Regelung bezieht sich aber nur auf Arbeitsbereiche wie Kliniken, Arztpraxen oder Rettungsdienste, in denen erhöhte Infektionsgefahr droht.

Mit der auf den Datenschutz bezogenen gesetzlichen Erlaubnis in Paragraf 23a korrespondiert auch keine Pflicht der Beschäftigten, dazu Angaben machen zu müssen. Verweigert ein Angestellter oder eine Angestellte die Auskunft, kann der Betrieb reagieren, er muss es aber nicht. Was dann im Einzelnen zulässig ist und was nicht, ist oft eine arbeitsrechtliche Detailfrage.

Nichtmedizinisches Personal dürfte hier größere Freiheiten beanspruchen können als Krankenpfleger oder Ärztinnen, die in Patientenkontakt stehen. Manche Arbeitsrechtler halten es sogar für möglich, ärztlichem Personal eine betriebliche Weisung zu erteilen, sich impfen zu lassen.

Eine Hürde für Spahns Vorstoß ist, dass es bei Covid bislang keine öffentlich-rechtliche Impfpflicht gibt. Ob Beschäftigte außerhalb des medizinischen Sektors das Angebot annehmen, ist damit prinzipiell eine private Angelegenheit, die jemand an seinem oder ihrem Arbeitsplatz nicht zu offenbaren hat. Gäbe es die Impfpflicht, würde die Befugnis zur Datenerhebung eine solche Maßnahme nur flankieren. Sie wäre dann besser zu rechtfertigen.

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