Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe: Gesucht wird: Ein Franziskus für Deutschland
Die deutschen Bischöfe wählen in Münster einen neuen Vorsitzenden. Wie in Rom könnte sich auch hier ein liberaler Kandidat durchsetzen. Und welche Chancen hat Berlins Kardinal Woelki?
Am Donnerstag ist es ein Jahr her, seitdem in der katholischen Kirche mit Papst Franziskus eine neue Epoche begonnen hat. Franziskus spricht von einer "armen Kirche für die Armen", geißelt die Selbstbezogenheit der Kirche und hat auch unter deutschen Katholiken produktive Verunsicherung ausgelöst.
Wohin sie führen wird, hängt auch davon ab, wen die 66 deutschen Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe an diesem Mittwoch zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen. Sie treffen sich ab dem heutigen Montag in Münster zu ihrer jährlichen Frühjahrsvollversammlung. Der bisherige Vorsitzende Robert Zollitsch tritt altersbedingt ab, sein Amt als Freiburger Erzbischof hat er bereits im Herbst aufgegeben. Mit dem neuen Vorsitzenden tritt auch eine neue Generation an die Spitze der Bischofskonferenz, die der Mitte 50- bis Mitte 60-Jährigen.
Noch wichtiger als die Wahl von Papst Franziskus ist für den künftigen Kurs der deutschen Bischofskonferenz der altersbedingte Rücktritt des mächtigen Kölner Kardinals Joachim Meisner. Er betrieb gezielt Machtpolitik, auch mit dem Hinweis auf seine angeblich enge Verbindung zu Joseph Ratzinger. Die Aussicht, von Meisner womöglich in Rom angeschwärzt zu werden, hielt manchen Bischof davon ab, gegen die kompromisslos konservative Linie des Kölners zu opponieren. An der Wahl am Mittwoch nimmt Meisner nicht teil. Viele sprechen von einer Befreiung.
Offizielle Bewerber für das Amt des Vorsitzenden der Bischofskonferenz gibt es genauso wenig wie bei der Papstwahl in Rom. Und auch hier gilt die Regel: Wer als Papst ins Konklave geht, wird als Kardinal herauskommen. Traditionell haben die vier deutschen Kardinäle gute Chancen. Meisner und der langjährige frühere Vorsitzende, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, sind zu alt für das Amt. Aber der Münchner Kardinal Reinhard Marx (60) käme infrage und gilt seit Jahren als Anwärter. Marx leitet eines der größten und reichsten Bistümer und in der Bischofskonferenz die Kommission für soziale Fragen. Er liegt auf der Linie von Papst Franziskus, denkt theologisch konservativ und forderte schon vor dessen Wahl zum Pontifex Maximus: "Wir müssen von den Armen her denken. Von unten her, von den besonders Betroffenen her." Vor einem halben Jahr hat ihn Franziskus in sein Beratergremium zur Reform der Weltkirche berufen.
Doch sein großer Einfluss und sein Selbstbewusstsein schrecken viele Bischofskollegen ab. Sie fürchten, Marx könnte mehr als andere versucht sein, ihnen Vorschriften zu machen. Einer, der nicht ganz so mächtig daherkommt, hat vermutlich größere Chancen, gewählt zu werden. Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki (57) zum Beispiel.
Er kommt mit seiner ungekünstelten Art gut an in der säkularen Hauptstadt. Viele Berliner schätzen, dass er sich für Arme und Flüchtlinge engagiert. Sein theologisch konservatives Denken und seine Umstrukturierungspläne für das Berliner Erzbistum stoßen allerdings bei etlichen Katholiken auf Unverständnis. Die Aufgaben in Berlin würden ihn völlig auslasten, sagte Woelki vergangene Woche, er strebe das Amt des Vorsitzenden überhaupt nicht an. Im Gegenteil: "Ich bin wild entschlossen, die Kollegen davon abzubringen, mich zu wählen."
Ambitionen werden hingegen dem Bamberger Erzbischof Ludwig Schick (64) nachgesagt. Er ist in der Bischofskonferenz für die Dritte Welt zuständig und hat immer wieder innerkirchliche Reformen angemahnt, etwa die Lockerung des Zölibats – auch schon unter Papst Benedikt, als solche Aussagen nicht gerade karrierefördernd waren.
Seitdem Franziskus den Kurs vorgibt, haben sogar Bischöfe, die als liberal gelten, Chancen auf einen Karrieresprung. Daher wird Franz-Josef Bode (63) aus Osnabrück als aussichtsreicher Kandidat für den Konferenz-Vorsitz gehandelt. Der frühere Jugendbischof ist beliebt in seinem Bistum, auch weil er versucht, Reformen gemeinsam mit den Katholiken auf den Weg zu bringen und nicht gegen sie. Der größeren Öffentlichkeit ist er aufgefallen, als er nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle 2010 als erster Bischof ein deutliches Zeichen der Buße setzte. Er legte sich im Osnabrücker Dom auf den Boden und bekannte die Schuld der Kirche. Bode ist kein Freund markiger Sätze, seine Stärke ist eher das Zuhören und Moderieren. Das ist keine schlechte Voraussetzung, um die unterschiedlichen Persönlichkeiten und theologischen Prägungen der Bischofskollegen zusammenzuführen.
Gute Chancen könnte auch Bischof Stephan Ackermann (50) aus Trier haben. Er ist der "Missbrauchsbeauftragte" der Bischofskonferenz und hat damit wohl eine der undankbarsten Aufgaben übernommen, die die Kirche nach 2010 zu vergeben hatte. Ackermann geht offen auf Menschen zu und kann Vertrauen schaffen. Bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle in seinem eigenen Bistum hat er sich aber auch Kritik eingehandelt. Inspiriert durch Franziskus hat er vor kurzem eine Synode einberufen, um in einem längeren Prozess gemeinsam mit den Gläubigen herauszufinden, wo es mit dem Bistum hingehen soll.
Etliche können sich auch den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck (49) an der Spitze der Bischofskonferenz vorstellen. Er ist der jüngste deutsche Diözesanbischof und zugleich Militärbischof. 2010 hatte er große Empörung hervorgerufen, als er in einer Talkshow energisch erklärte, dass Homosexualität Sünde sei. Danach waren aber auch moderatere Sätze von ihm zu hören. So regte er kürzlich an, man müsse neu über den Zölibat nachdenken. In der Debatte um die Intransparenz der Kirchenfinanzen hat er sich als einer der Ersten in die Bücher schauen lassen.
Fest steht: Bei früheren Wahlen mussten die Strippen gezogen sein und die Koalitionen feststehen, bevor sich alle zur Vollversammlung trafen. Angeregt durch Papst Franziskus und das römische Konklave vor einem Jahr wollen die Bischöfe diesmal am Dienstag gemeinsam und offener als sonst sondieren, wer infrage käme.
Der vom Papst beurlaubte Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst nimmt nicht am Treffen der katholischen Bischöfe in Münster teil. Bis zuletzt war unklar, ob der wegen ausufernder Baukosten und seiner Amtsführung umstrittene Limburger Kirchenmann sein Recht wahrnehmen und an der Tagung der Bischöfe teilnehmen würde. Das Bistum Limburg wird bei der Vollversammlung durch Weihbischof Thomas Löhr vertreten. Löhr sei vollwertiges Mitglied der Vollversammlung und besitze auch das Stimmrecht, sagte Bistumssprecher Stephan Schnelle. (mit dpa)