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Papst Franziskus mit einem Faschingspapst.
© dpa

Ein Jahr Papst Franziskus: Sein Küssen und Twittern weckt Hoffnungen

Die unter Benedikt XVI. so entrückt, so erstarrt wirkende Kirche ist mit Franziskus in Bewegung geraten. Das ist ein Wert an sich.

Sein Anspruch war klar und bestechend, ja revolutionär: Mit seiner Wahl zum Papst wollte Franziskus frischen Wind in die starr gewordene katholische Kirche bringen und sie damit attraktiver machen – für die 1,2 Milliarden Gläubigen, aber auch für viele andere. Ein Jahr ist es nun her, dass der Argentinier Jorge Mario Bergoglio den Stuhl Petri bestiegen hat, und zweifelsohne kann man feststellen, dass er das zumindest geschafft hat. Sein Wirken begeistert die Massen und wird selbst von Nichtgläubigen mindestens mit sympathischer Neugier begleitet. Zwölf Millionen Menschen folgen ihm bereits auf Twitter, auch das wirkt revolutionär.

Der 266. Papst hat die Kirche den Menschen nähergebracht, hat Sympathien bei vielen geweckt, die ins Zweifeln gekommen sind angesichts von immer neuen Missbrauchsskandalen, weltfremd- strenger Lehre und intransparenter Finanzgeschäfte. Franziskus zeigt sich barmherzig gegenüber Geschiedenen und Homosexuellen, er spricht und telefoniert unentwegt, auch mit ganz Unbekannten. Mal küsst er einen durch Geschwüre furchtbar entstellten Mann ohne Scheu, mal wäscht er einer Muslima die Füße. Die Bilder gehen jedes Mal um die Welt.

So manches davon ist ein Affront für Traditionalisten – aber eben gleichzeitig mehr als nur ein Hoffnungsschimmer für viele andere. Der fröhliche „Bergoglio- Stil“, der die Distanz zwischen Kirche und Welt aufzuheben scheint, begeistert die Menschen. Auch deswegen sind die Reformerwartungen an den ersten Papst aus Lateinamerika, der unermüdlich Bescheidenheit, Milde und Liebe predigt, in den Himmel gewachsen.

Doch kann ein einzelner Mann in Rom, selbst ein Superstar wie Franziskus, wirklich die Rundumerneuerung schaffen, nach der sich vor allem in Europa so viele Gläubige sehnen? Wird er den Zölibat lockern oder gar abschaffen, der vielen so unzeitgemäß erscheint, wird er den Frauen die stärkere Rolle in der Kirche, die Gleichberechtigung geben, nach der sie streben? Und wird er die Ökumene vorantreiben, wie es gerade in Deutschland von ihm erwartet wird?

Die Widerstände sind gewaltig. Und wo genau die Reise dieses Pontifex hingeht, darüber rätseln offenbar selbst Vatikan-Insider. Auch setzen sich seit seinem Amtsantritt hierzulande die Kirchenaustritte fort, nicht zuletzt hat die Affäre um den Bischof von Limburg viele Katholiken gewaltig erzürnt. Noch ist nicht klar, wie Franziskus mit Tebartz-van Elst verfahren wird, dem die Verschwendung von Kirchengeldern vorgeworfen wird – aber sein Vertrauter Georg Gänswein hat gerade Hinweise darauf gegeben, dass die Entscheidung deutlich gnädiger ausfallen könnte, als es vielen Gläubigen (und Nichtgläubigen) recht ist. Dem Bischof sei Unrecht widerfahren, sagt Gänswein, das habe dieser nicht verdient. Zu große Milde gegenüber dem Limburger Bischof aber dürfte hierzulande eher ungnädig aufgenommen werden.

Am Ende könnte so mancher, der sich bei seiner Kirche nach Liberalität und Weltlichkeit sehnt, enttäuscht werden. Denn so sozial engagiert der Papst ist, so einfach, jugendlich und volksnah der 77-Jährige wirkt: Der Jesuit Franziskus ist auch ein Konservativer, dafür spricht zum Beispiel seine Marienfrömmigkeit.

Zumindest scheint sich Franziskus dafür zu interessieren, was seine Schäfchen wollen. Der oberste Seelsorger hat bei seinen Bischöfen eine weltweite Umfrage in Auftrag gegeben, die ermitteln soll, wie die Gläubigen zu Themen wie Homo-Ehe, Verhütung und Familie stehen. Dabei werden aller Voraussicht nach große Abweichungen zur traditionellen Lehre offenbar werden. Was der Papst daraus macht, wird sich zeigen. Nähme er die zu erwartende Kluft zwischen Alltag und Lehre ernst, müsste er eigentlich zum Revolutionär werden. Ausgeschlossen ist das nicht, wahrscheinlich aber auch nicht.

Immerhin: Die unter Benedikt XVI. so entrückt, so erstarrt wirkende Kirche ist mit Franziskus in Bewegung geraten. Das ist ein Wert an sich. Nach einem eher menschenscheuen Intellektuellen, den die Last des Amtes und seines Alters am Ende zu erdrücken drohte, steht nun ein kraftvoller, zupackender Papst an der Spitze der Kirche, der es liebt, unter Menschen zu sein. Seit seiner Wahl hat Franziskus immer wieder überrascht, hat Hoffnungen und Sympathien geweckt. Auch wenn die Bewährungsproben noch ausstehen, wie Gänswein sagt: Vielleicht ist das nur der Anfang. Das Pontifikat von Johannes Paul II. hat 27 Jahre gedauert. Gemessen daran hat das von Franziskus gerade erst begonnen.

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