FN-Chefin Marine Le Pen: Geschlagen, aber längst nicht am Ende
Die Front-National-Chefin Marine Le Pen bleibt hinter ihren eigenen Erwartungen zurück - dennoch strebt sie weiterhin den Einzug in den Elysée-Palast an.
Schon früh zeichnete sich ab, dass Marine Le Pen die Präsidentschaftswahl nicht gewinnen würde. Am Wochenende machte die Nachricht die Runde, dass die Öffentlichkeit bei der Wahlparty des rechtsextremen Front National (FN) im Pariser Ausflugslokal „Chalet du Lac“ im zwölften Arrondissement am Sonntag um 22 Uhr ausgesperrt werden sollte – man blieb lieber unter sich. Im Saal des „Chalet du Lac“ war keinem der FN-Anhänger zum Feiern zumute. Vor zwei Wochen, als Le Pen im ersten Wahlgang in die Stichwahl eingezogen war, hatten die Parteianhänger noch die Marseillaise aus vollem Hals angestimmt. Zwar sangen die FN-Leute auch diesmal diesmal die französische Nationalhymne, aber es klang eher verhalten.
Schon vor dem Wahlsonntag hatten die Umfragen auf einen Sieg des Sozialliberalen Emmanuel Macron hingedeutet. Da wäre es schon eine Überraschung gewesen, wenn Marine Le Pen, die Chefin des FN, das Ruder noch hätte herumreißen können. Die Wahlniederlage ist auch eine persönliche Schlappe für die 48-Jährige. Denn der Einzug in den Elysée–Palast, den Amtssitz des französischen Staatspräsidenten, bleibt weiterhin ihr Ziel. Bereits im Jahr 2011, als die den FN-Vorsitz übernahm, ließ sie ihre Unterstützer wissen, dass sie Großes vorhat. Sie kündigte an, ein Jahr später bei der Präsidentenwahl 2012 zu kandidieren. Bei der Abstimmung vor fünf Jahren gelang es ihr, im ersten Wahlgang einen Stimmenanteil von knapp 18 Prozent zu holen.
Die 40-Prozent-Marke galt als parteiinternes Wahlziel
Damals scheiterte sie noch am Einzug in die Stichwahl. Diesmal stieß sie zwar in die zweite Runde vor, doch ihr Wahlergebnis blieb hinter den parteiinternen Erwartungen zurück. Im FN war zwar zuletzt auch nicht mehr mit einem Wahlsieg gerechnet worden; allerdings hatte innerhalb der rechtsextremen Partei das Erreichen der 40-Prozent-Marke als Ziel gegolten. Diese Marke wurde nun deutlich verfehlt – auch wenn der FN-Vize Florian Philippot am Sonntagabend erklärte, dass die Partei von nun an „die führende Kraft in der Opposition gegen Herrn Macron“ darstellen werde.
Marine Le Pen dürfte sich weiter Chancen ausrechnen, bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2022 das höchste Staatsamt in Frankreich zu übernehmen. Das liegt vor allem daran, dass die Franzosen bei der Stichwahl am Sonntag anders als bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2002 keine „republikanische Front“ gegen den FN aufgebaut haben.
Vor 15 Jahren, als in der zweiten Runde der Gaullist Jacques Chirac und der FN-Parteigründer Jean-Marie Le Pen zur Wahl standen, stimmte noch eine überwältigende Mehrheit von 82 Prozent für Chirac. Diesmal fiel die Mehrheit für Macron weit geringer aus – ein deutlicher Fingerzeig, dass Marine Le Pen mit ihrem Projekt, den FN zu „entdämonisieren“, einen entscheidenden Schritt vorangekommen ist.
Le Pen gab sich betont gemäßigt
Die FN-Chefin, die von ihren Anhängern einfach nur „Marine“ genannt wird, war beim Rennen gegen Macron mit dem Symbol der marineblauen Rose als „Kandidatin des Volkes“ aufgetreten. Bei einer Rede am vergangenen Donnerstag hatte sie im 200-Seelen-Dorf Ennemain im Département Somme in der Region Hauts-de-France ihre Botschaft ein weiteres Mal wiederholt: Sie vertrete „die Stimme des französischen Volkes, das einfach nicht mehr kann und von den Eliten mit Snobismus, Verachtung, Arroganz und Hochnäsigkeit behandelt wird“.
Sieht man einmal von ihrem aggressiven Auftritt während der Fernsehdebatte mit Macron am vergangenen Mittwoch ab, so hatte sich Le Pen während der Kampagne überwiegend als gemäßigte Politikerin präsentiert. Nichts sollte mehr an das Erbe ihres inzwischen 88-jährigen Vaters Jean-Marie erinnern, der als Parteigründer einst die Gaskammern der Nazis zu einem „Detail“ der Geschichte erklärt hatte.