US-Justizminister Barr räumt Missstände ein: „George Floyds Tod war nicht der erste dieser Art“
Rassismus dürfe bei der Strafverfolgung keine Rolle mehr spielen, versprach der US-Justizminister. Demokratin Pelosi warnt vor „Militarisierung“ der Proteste.
Mit Blick auf die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in Amerika hat US-Justizminister William Barr grundlegende Missstände im Land eingeräumt. „George Floyds Tod war nicht der erste dieser Art“, sagte Barr am Donnerstag in Washington. Es sei nicht zu leugnen, dass viele Afroamerikaner Zweifel an der Strafjustiz im Land hätten. „Das muss sich ändern.“
Es müsse sichergestellt werden, dass Rassismus bei der Strafverfolgung keine Rolle spiele. Mit Blick auf Floyds Tod versprach Barr, man werde hart dafür arbeiten, dass aus Schlechtem etwas Gutes herauskomme.
Seit Tagen kommt es in vielen US-Städten zu Demonstrationen gegen Rassismus, Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit. Auslöser ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota am 25. Mai. Die Proteste arteten zum Teil in Ausschreitungen und Plünderungen aus. US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt gedroht, Unruhen notfalls mit militärischer Gewalt zu stoppen.
Barr sagte, die Demonstranten protestierten überwiegend friedlich. Ausschreitungen, Plünderungen und Gewalt würden jedoch nicht geduldet.
Der Direktor der Bundespolizei FBI, Christopher Wray, betonte: „Wir versuchen in keiner Weise, friedliche Proteste zu entmutigen.“ Gewalttätige Ausschreitungen seien aber nicht hinnehmbar und müssten aufhören. Anarchische Aufrührer versuchten, die aktuelle Lage auszunutzen und Zwietracht zu sähen, beklagte er.
Auch Wray mahnte, es gehe nicht nur um George Floyd. Es gehe um alle, die über die Jahre von jenen, die mit ihrem Schutz betraut wurden, zu Unrecht getötet oder in ihren Rechten verletzt worden seien.
Pelosi warnt vor Militarisierung der Proteste
Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, verlangte von Präsident Donald Trump Aufklärung über die „zunehmende Militarisierung“ der Einsätze bei den friedlichen Protesten in der Hauptstadt. Die Regierung habe viele unterschiedliche Sicherheitskräfte auf teils unklarer rechtlicher Grundlage nach Washington verlegt, was zu Verwirrung und Chaos führen könnte, warnte Pelosi am Donnerstag in einem Schreiben an Trump.
Die Regierung müsse dem Parlament erklären, wer aus welchem Grund im Einsatz sei und wer letztlich die Befehlsgewalt habe.
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Trump hat angesichts von Ausschreitungen am Rande der friedlichen Proteste wiederholt damit gedroht, die Streitkräfte einzusetzen. Rund 1600 Soldaten wurden daher als Reserve in die Region der Hauptstadt verlegt. Zudem ließ die Regierung Tausende Nationalgardisten und Sicherheitskräfte des Bundes nach Washington verlegen - ohne die Zustimmung der Bürgermeisterin der Hauptstadt, Muriel Bowser.
Barr: Ausländische Akteure befeuern die Proteste
„Wir sind besorgt über die zunehmende Militarisierung und die mangelnde Klarheit, die Chaos verstärken könnte“, warnte Pelosi. Zudem sei es inakzeptabel, dass Sicherheitskräfte des Bundes teils keine klar markierten Uniformen und Namensschilder trügen. Damit könnten sie bei Vergehen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, was das Vertrauen der Bürger erschüttere und gegen bestehende behördliche Empfehlungen verstoße, schrieb Pelosi weiter.
Zudem sei unklar, auf welcher Rechtsgrundlage Einheiten der Nationalgarde aus anderen Bundesstaaten nach Washington verlegt worden seien, so Pelosi.
Die US-Regierung wies unterdessen auf eine Einflussnahme aus dem Ausland hin. Ausländische Akteure mischten auf allen Seiten mit, sagte Justizminister Barr. Zudem versuchten "extremistische Agitatoren", die Spaltung in der US-Gesellschaft nach der Tötung des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz zu vergrößern.
Es gebe Belege, wonach "die Antifa und andere ähnliche extremistische Gruppen" sowie "Akteure verschiedener politischen Überzeugungen" darin verwickelt gewesen seien, zu Gewalthandlungen anzustiften.
Proteste ein Zeichen der Hoffnung
Bei einer Gedenkfeier für Floyd in New York bedankte sich dessen jüngerer Bruder Terrence Floyd für die Anteilnahme. „Ich danke Gott dafür, dass ihr alle meinem Bruder so viel Liebe zeigt“, sagte Terrence Floyd, der im New Yorker Stadtteil Brooklyn lebt, bei der Veranstaltung am Donnerstag. Zu der Gedenkfeier waren Hunderte Menschen auf einen Platz in Brooklyn gekommen, danach zogen sie mit Plakaten und Sprechchören Richtung Manhattan weiter. „Ich bin stolz auf die Proteste, aber ich bin nicht stolz auf die Zerstörung“, sagte Floyd.
Bei einer Trauerfeier in Minneapolis zeigte sich der US-Bürgerrechtler Al Sharpton angesichts der weltweiten Proteste zuversichtlich. Demonstrationen in Deutschland, Großbritannien und anderswo hätten ihm gezeigt, dass die Zeit für Veränderung gekommen sei, sagte der baptistische Prediger am Donnerstag. Es sei bemerkenswert, dass es bei manchen Protesten unter den Teilnehmern „mehr junge Weiße als Schwarze“ gegeben habe.
Nun sei es Zeit, Rassismus und Diskriminierung durch Polizei und Justiz in den USA ein Ende zu bereiten, sagte Sharpton. „Als ich geguckt habe und gesehen habe, dass Menschen in Deutschland für George Floyd auf die Straße gehen - es ist eine andere Zeit“, sagte Sharpton. Am Mittwoch hatte der frühere US-Präsident Barack Obama erklärt, es sei ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die Proteste von breiten Schichten der Gesellschaft unterstützt würden, nicht nur von Minderheiten wie in der Vergangenheit.
Drei Polizisten könnten auf Kaution freikommen
Drei an Floyds Festnahme beteiligte frühere Polizisten könnten derweil bald auf Kaution freikommen. Sie müssten dafür eine Million US-Dollar (900.000 Euro) als Sicherheit hinterlegen, wie Gerichtsunterlagen aus dem Bundesstaat Minnesota am Donnerstag zeigten. Sollten sie gewisse Auflagen akzeptieren, darunter ein Verbot von Kontakten zu Floyds Familie, würde die Summe auf 750.000 Dollar reduziert. Der Prozess soll erst in einigen Monaten beginnen. (Reuters, dpa)