Russlands Gastarbeiter: Genug von der Krise - zurück nach Hause
Die Krise in Russland geht auch an den vielen tausend Gastarbeitern nicht spurlos vorbei. Seit der Rubel abstürzt, ist ihr Lohn immer weniger wert. Und die Gesetze für Einwanderer werden immer schärfer. Viele kehren dem Land deshalb den Rücken.
Wie ein Eichhörnchen turnt der Kirgise Onurbek über das Dach des fünfstöckigen Plattenbaus und schlägt Eiszapfen ab. Die Arbeit geht ihm noch flotter von der Hand als sonst. Denn am Abend steigt er in den Zug, der ihn von Moskau zurück in seine Heimat bringt: die bitterarme zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Kirgisistan an der Grenze zu China.
Zwar machte Onurbek, der seit fünf Jahren bei der Moskauer Stadtreinigung arbeitet, zu Neujahr stets Urlaub in der Heimat. Doch dieses Jahr hat er keine Rückfahrkarte gelöst. Es lohne nicht mehr, sagt er. Denn auf der Post rechnet die Beamtin die wenigen Rubel, die Onurbek in Russland verdient und Monat für Monat nach Hause überweist, in den kirgisischen Som um. Und dem gegenüber hat der Rubel in wenigen Wochen fast die Hafte an Wert verloren.
Gastarbeiter erledigen für wenig Geld schwere und schmutzige Jobs, für die die meisten Russen sich zu schade sind. Nun sitzen bis zu 25 Prozent von ihnen auf gepackten Koffern. Kritische Experten machen indes nicht nur die Rubelkrise, sondern auch die Verschärfung der Einwanderungsgesetzgebung für die drohende Massenflucht verantwortlich. Denn eine Arbeitserlaubnis wird ab 1. Januar nur noch nach bestandener Prüfung in russischer Sprache, russischer Geschichte und russischem Recht erteilt – aus Sicht von Migrantenorganisationen eine Lizenz zum Gelddrucken für korrupte Beamte. Die meist gering qualifizierten Gastarbeiter würden sich eine Prüfungsbescheinigung einfach kaufen, heißt es.
Ohne Arbeitserlaubnis und Registrierung beim Einwohnermeldeamt durften bisher nur Ukrainer 90 Tage in Russland jobben. Ende 2014 läuft die Sonderregelung aus, als Retourkutsche für das Assoziierungsabkommen Kiews mit der EU. Auch für die Bürger Moldawiens, das mit Europa ein ähnliches Abkommen schloss, schottet Russland seinen Arbeitsmarkt ab.
Die Kommunalwirtschaft in St. Petersburg will die Lücke nun mit jungen Erwachsenen schließen, die als Problemfälle gelten und oft bereits straffällig geworden sind. 700 werden bereits in Crashkursen für die Stadtreinigung ausgebildet, meldet Radio Echo Moskwy.
Vor allem der Exodus der zentralasiatischen Gastarbeiter könnte schlimme Folgen haben – weit über Russland hinaus. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit lassen sich viele Heimkehrer von radikalislamischen Organisationen anwerben, die im Untergrund oder halblegal operieren und sich mit Waffen- und Drogenschmuggel über die weitgehend durchlässige Grenze zu Afghanistan finanzieren.