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Der „Stinkefinger“: Im Alltag inzwischen leider häufig zu sehen.
© dpa/Jens Büttner

Die gereizte Gesellschaft: „Generation Mitte“ beklagt zunehmende Aggressivität in Deutschland

Rücksichtslosigkeit, Zeitdruck und Egoismus machen sich in Deutschland breit: Das sagt eine Mehrheit der 30- bis 59-Jährigen in einer Allensbach-Umfrage.

Die Deutschen mittleren Alters sind mehrheitlich der Ansicht, dass sich die Gesellschaft in den vergangenen Jahren zum Negativen verändert hat. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Allensbach-Instituts unter 30- bis 59-Jährigen hervor. Demnach gaben 51 Prozent an, dass aus ihrer Sicht die negativen Veränderungen überwiegen, nur 16 Prozent sahen einen Wandel zum Besseren. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben.

Die Frage zielte nicht auf die wirtschaftliche Situation, sondern auf die gesellschaftliche Stimmung: 81 Prozent der Befragten gaben an, dass die Aggressivität in Deutschland zunehme. An zweiter Stelle (77 Prozent) nannte die in der Umfrage als „Generation Mitte“ bezeichnete Altersgruppe, dass immer mehr Menschen unter Zeitdruck stünden, und 73 Prozent beklagten einen wachsenden Egoismus in Deutschland.

Außerdem bemängeln die Deutschen mittleren Alters, dass Regeln immer weniger beachtet würden und die Menschen immer weniger Respekt voreinander hätten. Mehr als zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass es eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit im Land gibt. Auch mangelnde Toleranz, fehlende Geduld sowie der Bedeutungsverlust von gutem Benehmen werden von einer Mehrheit der Befragten genannt.

Kritik am Verhalten im Straßenverkehr

Die Gereiztheit schlägt sich in zahlreichen Lebensbereichen nieder: 90 Prozent der Befragten erleben die von vielen beklagte Aggressivität im Straßenverkehr, 59 Prozent sehen auf der Straße oder auf öffentlichen Plätzen rücksichtsloses Verhalten, und 54 Prozent nehmen Aggressivität im Internet wahr. Für die Studie befragte das Allensbach-Institut im Juli mehr als 1100 Personen, die zwischen 30 und 59 Jahre alt sind.

Mehr als zwei Drittel der „Generation Mitte“ haben den Eindruck, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft nur schwach ausgeprägt ist. Nur 18 Prozent sind vom Gegenteil überzeugt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist außerdem, dass zwei Drittel der Befragten der Ansicht sind, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in den vergangenen Jahren schwächer geworden ist.

Die Schicht trennt Menschen mehr als die regionale Herkunft

Auf die Frage, was die Menschen in unserer Gesellschaft heute vor allem trennt, nennen 75 Prozent „die soziale Schicht, zu der man gehört“, 69 Prozent halten die Einkommensunterschiede für einen wichtigen Faktor. Die Frage, ob man aus Ost- oder Westdeutschland stammt, ist nur für etwas mehr als ein Drittel der Westdeutschen ein entscheidendes Kriterium. Dagegen sagen 55 Prozent der Ostdeutschen mittleren Alters – also der Generationen, die die Mauer erlebt haben -, dass die Herkunft aus Ost oder West die Gesellschaft nach wie vor spaltet. In einer separaten Studie war das Allensbach-Institut zu dem Ergebnis gekommen, dass selbst in der jungen Generation die Kluft zwischen Ost und West noch immer spürbar ist.

Während die 30- bis 59-Jährigen eher mit Sorgen auf gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland blicken, ist ein großer Teil mit der eigenen wirtschaftlichen Situation zufrieden. In der Umfrage des Allensbach-Instituts gaben 44 Prozent der Befragten an, dass es ihnen heute wirtschaftlich besser gehe als noch vor fünf Jahren. In Ostdeutschland ist der Anteil der Wohlstandsgewinner mit 46 Prozent sogar noch etwas höher. Über eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage berichten dagegen 16 Prozent der Befragten, in Ostdeutschland sind es elf Prozent.

81 Prozent der Frauen erlebten Diskriminierung

Allerdings blickt die „Generation Mitte“ mit Skepsis auf die Perspektiven der deutschen Wirtschaft. Dass diese in den kommenden Jahren ihre starke Position verteidigen könne, glauben nur 24 Prozent, dagegen sagen 41 Prozent, die deutsche Wirtschaft werde „eher zurückfallen“.

Unzufrieden sind die 30- bis 59-Jährigen mit dem Stand der Gleichberechtigung in Deutschland. Nur 27 Prozent sehen die Gleichberechtigung der Frauen als „weitgehend verwirklicht“. Dagegen sagen 56 Prozent aller Befragten und 69 Prozent der Frauen, dass in diesem Bereich noch einiges getan werden müsse.

Nachholbedarf sieht die "Generation Mitte" vor allem bei Löhnen und Gehältern und beim beruflichen Aufstieg. Von den befragten Frauen gaben insgesamt sogar 81 Prozent an, selbst bereits wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein. Von den Betroffenen erlebten mehr als zwei Drittel Benachteiligungen beim Verdienst.

Claudia von Salzen

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