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Einzug der Kandidaten am Dienstag im Willy-Brandt-Haus in Berlin.
© Hannibal Hanschke/Reuters

SPD-Regionalkonferenz in Berlin: Gelebte Demokratie im Schatten der Willy-Brandt-Skulptur

„So stimmungsvoll habe ich dieses Haus noch nie erlebt“, sagt Interims-Chef Schäfer-Gümbel. Den größten Applaus in Berlin bekommt das Duo Walter-Borjans/Esken.

Das Willy-Brandt-Haus hat ja schon manchen tristen, bis dramatischen Wahlabend hinter sich. Nun sagt der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel: „So stimmungsvoll und lebendig wie heute Abend habe ich dieses Haus noch nie erlebt.“

Es ist Nummer 12 von 23 SPD-Regionalkonferenzen und Schäfer-Gümbel listet vor der Vorstellung der sieben Kandidaten-Duos für den SPD-Vorsitz auf: 4350 Kilometer haben die Kandidaten bisher zurückgelegt, 7500 Besucher der Konferenzen, 226.000 Zuschauer der Live-Streams im Netz. Und nun gelebte Demokratie im Schatten der Willy-Brandt-Skulptur. Da nur knapp 1000 Leute hier Platz finden, gibt es noch 14 Public-Viewing-Veranstaltungen in den Berliner Bezirken mit Live-Streams in Senioreneinrichtungen, Kneipen und SPD-Bürgerbüros.

Anfangs auch intern skeptisch gesehen, ist es ein Experiment, das funktioniert. Die ganz andere Frage ist, was am Ende das Sieger-Duo daraus machen wird, das nach einem Mitgliedervotum beim Parteitag am 6. Dezember offiziell gekürt werden soll. Oder ob zum Beispiel ein Vorsitzendenduo Olaf Scholz und Klara Geywitz Spaltungen verschärft, da es von einem guten Teil des linken Flügels vehement abgelehnt wird. Um den bemüht sich der Finanzminister dann auch, wenn er im Willy-Brandt-Haus fordert: „Wir müssen dafür sorgen, dass in diesem Land 100.000 Sozialwohnungen gebaut werden.“ Immer wieder verweist Scholz auf seine Bilanz als Hamburger Bürgermeister. Hier in Berlin hat er keinen leichten Stand.

Borjans und Esken werden laut beklatscht

Den größten Applaus, garniert mit Jubelrufen, gibt es für den früheren NRW-Justizminister Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, er hat am Dienstag Geburtstag. Er gehöre zu den wenigen 67-Jährigen auf diesem Kontinent, die keinen Krieg erleben mussten, betont er bei der Vorstellungsrunde. „Das habe ich diesem Mann zu verdanken: Willy Brandt, dem Friedensnobelpreisträger“, zeigt er auf die bekannte Bronzeskulptur. Der SPD-Bus sei nicht erst mit der großen Koalition falsch abgebogen. Berater und Lobbyisten hätten auf der Piste gestanden und den Bus dazu gezwungen „in die neoliberale Pampa abzubiegen“.

Zurück zum starken Staat, weniger Privatisierungen, mehr Investitionen – dafür gibt es lauten Beifall. „Wir brauchen einen Staat, der sich nicht mit der schwarzen Null stranguliert“, ruft Walter-Borjans, der in seiner Amtszeit durch den Ankauf von Steuer-CDs zum Schrecken der Steuerpreller wurde. Es ist eine Breitseite auf Scholz, der für die schwarze Null steht, für das Haushalten ohne neue Schulden. Nun müssten wieder die „richtigen Busfahrer“ ans Steuer, fordert Walter-Borjans. Esken betont: „Die Groko schafft keine Zukunft, die Groko hat keine Zukunft.“

Frisch und gekünstelt im blauen Europa-Pulli

Wenn kein Bewerberpaar in der ersten Runde bei der Befragung der Mitglieder eine absolute Mehrheit bekommt, gehen die zwei bestplatzierten Duos in die Stichwahl. Es könnte im Falle des linken Teams Walter-Borjans/Esken gegen Scholz/Geywitz zur Abstimmung über Fortsetzung und Ende der Koalition werden.

Am frischesten, aber auch gekünstelten kommt im Willy-Brandt-Haus das Duo aus Europa-Staatsminister Michael Roth und der früheren NRW-Familienministerin Christina Kampmann rüber, beide im blauen Europa-Kapuzenpulli. „Wir waren die ersten, die das Ende der Schwarzen Null gefordert haben“, betont sie. Und versucht es mit einem Gag: „Ich habe meinen Wahlkreis in Bielefeld immer direkt gewonnen. Manche sagen, das liege daran, dass es Bielefeld gar nicht gibt.“

Feuer entfachen auch Ralf Stegner und Gesine Schwan, alle Kandidaten eint: Klare Kante gegen rechts und die AfD. Und nach dem Vom-Hof-Jagen von Andrea Nahles geht man fair miteinander um, betont den Zusammenhalt. Roth sagt über seine Mitstreiter: „Das sind alles anständige Sozis.“

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