Umwelt: Geisternetze und Plastikmüll gefährden die Weltmeere
Internationale Konferenz in Berlin macht auf die Vermüllung der Ozeane aufmerksam. Potsdamer Forscher sehen Fischerei als Hauptproblem.
Rund 6,4 Millionen Tonnen Plastikmüll werden jedes Jahr in die Ozeane gespült. Diese Schätzung stammt von Wissenschaftlern der amerikanischen Nationalakademie (National Academy of Science) und die Zahlen gehen auf das Jahr 1997 zurück. Genau weiß aber niemand, wie viel Müll im Meer treibt. Wie ihm beizukommen ist – und nicht nur dem im Meer – darüber haben drei Tage lang in Berlin 200 Experten beraten. Nichts dagegen zu unternehmen wäre „unmoralisch“, sagte der Umweltkommissar Janez Potocnik am Freitag zum Abschluss der Konferenz.
Die Ergebnisse der Konferenz sind überschaubar. Aber zumindest hat Umweltminister Peter Altmaier (CDU) angekündigt, sich noch vor der Bundestagswahl mit den Bürgermeistern der Inseln, den Verantwortlichen an den Flussmündungen und Umweltverbänden zusammenzusetzen, um nach Lösungen zu suchen. Einig waren sich alle, dass die Lösungen für den Meeresmüll an Land zu suchen sind. Vor allem aus schlecht gesicherten Mülldeponien werden Plastikabfälle vom Wind in Flüsse und schließlich ins Meer gespült. Probleme bereiten aber auch Plastikpartikel, die aus Pflegemitteln wie Duschgels oder aus Fleece-Pullovern beim Waschen ins Abwasser geraten. Sie sind winzig und können von Kläranlagen nicht zurückgehalten werden. Bis zu 2000 Kunstfasern aus einem Fleece-Kleidungsstück gelangen beim Waschen ins Abwasser. Und dabei ist der Fleece-Pullover doch eines der Beispiele, was aus recycelten Plastikflaschen noch einmal werden kann. Für die Meere ist diese Lösung offenbar nur bedingt tauglich.
Janez Potocnik sieht das Problem Meeresmüll im Zusammenhang mit der „verschwenderischen Produktionsweise“, in die „Europa historisch“ hineingewachsen ist und in der der Kontinent nun geradezu gefangen sei. „Wir müssen unsere Ressourcen sparsamer verwenden und mehr Wertstoffe in eine Kreislaufwirtschaft integrieren. Das ist eine Überlebensfrage“, sagte Potocnik, der nicht zum Pathos neigt. Doch mit der Ressourceneffizienz hat er sein Thema gefunden. Der verschwenderische Umgang mit Ressourcen ist aus seiner Sicht der Grund des Übels.
Schon kurz vor Ostern haben sich im Potsdamer Institut für Nachhaltigkeitsforschung (IASS) Experten getroffen, um über eine bessere globale Verwaltung der Meeresressourcen zu beraten. Sebastian Unger und Jeff Ardron vom IASS untersuchten die schwer überschaubare Zahl internationaler Abkommen zum Meeresschutz auf ihre Tauglichkeit. Die meisten sind von sehr begrenzter Reichweite und noch geringerem Erfolg. Ein Beispiel dafür ist die Meeresmüllkonvention Marpol, die schon in den 70er Jahren die Verklappung von Atom- und Chemieabfällen im Meer verbot und darüber hinaus auch das Müllmanagement auf Schiffen regeln sollte. Gerade diese zweite Hälfte des Abkommens scheint wenig bewirkt zu haben: Im Nordatlantik, wo es bereits ein Überwachungssystem für Meeresmüll gibt, schwimmt jedenfalls nicht weniger davon herum als zuvor. Deshalb soll dieser Teil der Konvention nun verschärft werden. Als beispielhaft nennt das Umweltbundesamt die Regelung an den Ostseehäfen, an denen die Müllgebühren in die Hafengebühren integriert sind. Deshalb sei es kein ökonomischer Vorteil mehr, den Müll ins Meer zu kippen. Das Umweltbundesamt berichtet von ersten Erfolgen der Strategie.
Unger und Ardron sehen jedoch die Fischerei als das Hauptproblem der Meere, speziell auf hoher See, wo es keine verbindlichen Vereinbarungen gibt. Sie schlagen vor, zumindest einmal gemeinsame Prinzipien für die Nutzung der biologischen Vielfalt der Ozeane zu erarbeiten. Zudem raten sie, die bestehenden Abkommen auf Verbesserungsmöglichkeiten für den Meeresschutz zu überprüfen.
Unger zeigte sich froh darüber, dass Peter Altmaier beim Gipfel in Rio 2012 versprochen hat, den Meeresschutz oben auf seine Tagesordnung zu setzen. Der Meeresmüllkongress in dieser Woche war eine erste Annäherung an das Thema. Auch da spielte die Fischerei übrigens eine Hauptrolle: Fischernetze, die verloren wurden oder absichtlich im Meer entsorgt wurden, fischen als „Geisternetze“ noch mehrere hundert Jahre weiter.
Dagmar Dehmer