Untersuchungsausschuss startet: Gefährlicher Zeuge für Leyen in der Bundeswehr-Berateraffäre
Er könnte eine neue Schlüsselfigur in der Bundeswehr-Berateraffäre werden: Timo Noetzel ist als Zeuge geladen. Er gilt als „Buddy“ des Ministeriums.
Vielleicht hätte Timo Noetzel im Nachhinein lieber doch nicht so geprahlt: Ende vergangenen Jahres soll der Berater der Managementfirma Accenture im Intranet ganz dick aufgetragen haben. Er lobt sich demnach für seine „starken Beziehungen“ zur Bundeswehr und dass er sein „Team reingeholt“ habe in das Verteidigungsministerium. Durch ihn sei der Nettoumsatz seiner Firma bei der Bundeswehr innerhalb von vier Jahren von knapp einer halben Million Euro auf rund 20 Millionen in die Höhe geschossen. Schließlich, so berichtete es der „Spiegel“, schreibt er: „Das Potenzial ist riesig, dass die Bundeswehr ein Diamantkunde wird.“
Verdacht auf Rechtsbruch, Hinweise auf Vetternwirtschaft
Jetzt ist vor allem das Potenzial riesig, dass Noetzel zu einer weiteren Schlüsselfigur in der Berateraffäre wird. Dabei geht es um die Verantwortung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für Beraterverträge in Höhe von Hunderten Millionen Euro, den Verdacht auf Rechtsbruch und Hinweise auf Vetternwirtschaft.
Um den Vorfall aufzuklären will der Untersuchungsausschuss des Bundestags jetzt auch Noetzel vorladen. Das geht aus einer unter den Fraktionen abgestimmten und zunächst 15 Personen umfassenden Zeugenliste hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Sie soll am heutigen Donnerstag zum Start des Untersuchungsausschusses verabschiedet und später erweitert werden.
Damit wird der Fokus in der Aufklärung der Berateraffäre zunehmend von McKinsey auf Accenture ausgeweitet: Das weltweit tätige Unternehmen, das Managementberatung und Technologie-Dienstleistungen anbietet, soll am Wettbewerb vorbei beauftragt worden sein. Möglich war das über Rahmenverträge und Unterauftragnehmer. Zudem soll Accenture unter Noetzel Honorarstunden für 25.000 Euro doppelt abgerechnet haben.
Noetzel arbeitete kurzzeitig für den Berliner Verfassungsschutz und die Münchner Sicherheitskonferenz und gehörte 2013 zum Wahlkampfteam des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Heute bringt ihn die SPD vor allem mit einer handlungsunfähigen und abhängigen Wehrverwaltung in Verbindung. „Beim Komplex Accenture/Noetzel erwarten wir, die Entstehung und Wirkung solcher Abhängigkeiten am deutlichsten analysieren zu können“, sagt SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu dem Tagesspiegel. „Hier steht dann auch die Frage nach der politischen Verantwortung im Raum, die mit aufgeklärt werden muss.“
Neben dem Accenture-Berater Noetzel haben die Verteidigungspolitiker auch die ehemalige Verteidigungsstaatssekretärin und früheren McKinsey-Beraterin Katrin Suder auf die Liste gesetzt. Sie war gewissermaßen der Auslöser für den Untersuchungsausschuss, weil die enge Vertraute von Leyen sich lediglich bereiterklärt hatte, dem Verteidigungsausschuss schriftlich Rede und Antwort zu stehen – nicht aber persönlich. Dazu kann sie jetzt im Untersuchungsausschuss gezwungen werden.
„Für Berater wie Timo Noetzel und Katrin Suder wird die Arbeit in unserem Ausschuss alles andere als eine Fahrt ins Wochenende“, sagt die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Es müsse geklärt werden, wie sich das Ministerium „in einen Moloch“ mit einem verselbstständigten Beratersystem mit zusätzlichen Unterberatern habe verwandeln können. „Dabei werden wir zunehmend neben McKinsey auch Accenture unter die Lupe nehmen. Am Ende könnten durchaus auch Köpfe rollen. Denn wenn die Ausschreibungen nicht korrekt waren, das Vergaberecht umgangen worden ist, kann das auch rechtliche Konsequenzen haben.“
Patenonkel von Noetzels Kindern vorgeladen
Weitere Zeugen werden die Staatssekretäre Gerd Hoofe und Benedikt Zimmer und natürlich die Ministerin sein. Hinzu kommen drei Beschäftigte des Bundesrechnungshofs sowie der ehemalige Leiter der Abteilung Cyber- und Informationstechnik und Gundbert Scherf.
Suder hatte den McKinsey-Kollegen als Rüstungsbeauftragten ins Haus geholt, um mit ihm gemeinsam ein neues Projektmanagement für die Rüstungsvorhaben aufzusetzen. Leyens Ziel, die wiederum Suder persönlich eingestellt hatte, war es, die Probleme zu beheben, die es immer wieder bei der Rüstungsbeschaffung gibt: Das Material ist zu teuer, zu spät fertig – und leistet weniger als vereinbart.
Besondere Brisanz für die sich stetig ausweitende Berateraffäre hat auch die Vorladung von Generalleutnant Erhard Bühler. Er war bis Oktober 2018 Leiter der Abteilung Planung im Verteidigungsministerium – und ist mit Noetzel so eng befreundet, dass er Pate mehrerer seiner Kinder ist. Das hat Bühler in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses Ende vergangenen Jahres zugegeben.
Da er nun als Zeuge in Berlin zur Verfügung stehen muss, kann er nicht wie geplant schon jetzt das Nato-Kommando im niederländischen Brunssum vom dem Italiener Riccardo Marchio übernehmen. Die „Bild“-Zeitung berichtete von einem entsprechenden internen Nato-Vermerk. Demnach ist die Versetzung ausgesetzt. Und zwar „auf unbestimmte Zeit“.