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Alexander Gauland auf einer Wahlveranstaltung der AfD in Magdeburg.
© imago/Christian Ditsch

AfD-Spitzenkandidat zum Nationalsozialismus: Gaulands "Wir" identifiziert sich nur mit den Tätern

Alexander Gauland sagt, dass die NS-Zeit unsere Identität nicht mehr betrifft. Damit bürgert der AfD-Spitzenkandidat die deutschen Juden ein weiteres Mal aus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Der AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland hat in einer Rede zum Thema „NS-Zeit“ gesagt: „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr.“ Die Idee, dass die ganze Welt den heute lebenden Deutschen immer noch die Naziverbrechen vorhalte wie eine persönliche Schuld, ist eine rechte Zwangsvorstellung.

Die wenigsten Juden, Polen oder Russen denken so. Wenn zum Beispiel Polen oder Griechenland heute noch Reparationsforderungen stellen, dann ist auch das in der Regel nicht mit Schuldvorhaltungen an das heutige Deutschland verbunden, sondern mit der Erinnerung an historische Schulden, die, nach so langer Zeit, allerdings schwer einzutreiben sein dürften.

Betreffen „diese zwölf Jahre“ unsere Identität? Sie betreffen jedenfalls die Identität, derer, die den Terror überlebt haben. Sie betreffen die Identität ihrer Kinder und Enkel. Sie betreffen Familien, die zerstört, und Länder, die verwüstet wurden. Und „unsere“ Identität sollen sie nicht betreffen?

"Wir" waren auch die deutschen Juden

Interessant ist dieses „uns“, das aus Gauland spricht. Gaulands „wir“ identifiziert sich ausschließlich mit den Tätern. Es waren aber nicht „wir“, in Gestalt unserer sämtlichen Vorfahren, die diese monströsen Verbrechen an „denen“ begangen haben. „Wir“ sind auch die Erben der Opfer, von tausenden ermordeten deutschen Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Schwulen, Kranken und Deserteuren und vielen mehr.

Wer in einem KZ trauert, der trauert immer auch um Deutschland. In Gaulands Kopf ist Deutschland immer noch ein Reich, ein Volk, ein Führer. Er scheint nicht zu wissen, was die Nazis auch Deutschland und den Deutschen angetan haben. Und nun wirft er diese Idee, seine eigene, den anderen vor. „Wir“, das waren auch die deutschen Juden, die dieses Land liebten, für es in den Ersten Weltkrieg zogen, seine Kultur maßgeblich prägten, die zum Lohn vertrieben und ermordet worden. Gauland bürgert sie nun ein weiteres Mal aus, mit seinem „wir“. Das ist grenzenlos schäbig.

Er sagt auch: „Wir haben das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.“ Es ist richtig, dass man die deutschen Soldaten nicht pauschal verurteilen sollte. Ein 18jähriger, der 1944 in den Tod geschickt wurde, hatte sein bewusstes Leben lang nichts anderes gehört als Nazipropaganda. Er und die Kindersoldaten, die am Ende verheizt wurden, damit die Obernazis ihr Leben um ein paar Stunden verlängern konnten, sind auch Opfer dieses Regimes.

Aber die Todesfabrik Auschwitz funktionierte nur so lange, wie die deutschen Soldaten das Regime am Leben hielten. Dieser Krieg war nicht nur ein Angriffskrieg, wie es sie in der Geschichte hundertfach gegeben hat, er war ein Vernichtungskrieg, er war anders.

Die Leistung deutscher Soldaten, auf die man stolz sein kann, ist die Leistung der Männer und Frauen des 20. Juli, die sich, wenn auch spät, von ihren Traditionen und ihrem Eid, der für sie etwas zählte, lösten und für den Kampf gegen Hitler den höchsten Preis zahlten, den es gibt. Auch ihr Erbe bewirft Gauland mit Dreck, wenn er von „wir“ spricht.

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