Bundespräsident Steinmeier: Gabriels Schlag gegen Merkel und die Union
Steinmeier als Bundespräsident - eine gute, eine logische Wahl. Am Ende konnte sich auch die Union nicht entziehen. Deren Unmut ist der Kanzlerin gewiss. Ein Kommentar.
Wetten, dass Angela Merkel jetzt wieder die quasi ultimative Raffinesse angedichtet wird? Nach der Devise: Alles von ihr supergeschickt eingefädelt, um hier den Trumpismus zu verhindern, den Sieg des Populismus. Stattdessen ein Bundespräsidentenkandidat, der alles das kann, was man in der Politik braucht und der zugleich noch beim Volk beliebt ist. Dann wäre am Ende Frank-Walter Steinmeier Merkels Wahl. Nur, dass davon nicht die Rede sein kann.
Richtig, Steinmeier ist eine gute, eine logische Wahl. Ausgeglichen im Temperament, meist ausgewogen in seinen Äußerungen, Liebhaber des Diplomatischen vom Scheitel bis zur Sohle, dazu vom Typ her hemdsärmelig und nicht abgehoben. Dass er nicht der allergrößte Redner ist – geschenkt. Auf den Inhalt kommt es an, und da soll mal keiner denken, dass sich Steinmeier nicht längst Gedanken gemacht hätte. Er könnte, wenn wir uns einmal in der Geschichte umschauen, womöglich der Heinemann werden, den die SPD lange nicht mehr hatte: ein Bürgerpräsident und Meister des politisch Korrekten. Oder Korrigierenden.
Ein Zeichen gegen den Trumpismus?
Das ist, wo alle gerade aufgeregt in die andere Richtung laufen, alles schriller zu werden droht, ein Signal. Solidität und Glaubwürdigkeit führen zur Beruhigung, und einer, der weiß, was er tut, nimmt den Menschen die Unsicherheit. Ob das dann gegen womöglich in Europa grassierenden Trumpismus ausreicht, ob der Präsident nicht doch zum Kämpfer fürs Ganze, also für die Demokratie, wie wir sie kennen, werden muss, steht dahin. Erstens allerdings ist Steinmeier noch nicht mal im Amt, zweitens hat er mit rüden Äußerungen über Donald Trump schon überraschende Kostproben seiner Rauflust gegeben.
Unabhängig davon ist Steinmeier – und wie Sigmar Gabriel seine Kandidatur zustande gebracht hat – ein Schlag für Merkel. Genauer ist es einer gegen sie. Ein bisschen wie beim Kampf Muhammad Ali gegen George Foreman 1974 im Dschungel: Runde um Runde wird Ali verprügelt, und dann schlägt er Foreman knock-out. Okay, die Kanzlerin ist nicht k.o., aber Gabriel hat es allen, die ihn nur für großsprecherisch halten, mal so richtig gezeigt. Klar hätte das danebengehen können. Ist es aber nicht.
Der Sieg baut die SPD auf
Weil Merkel entweder kein wirkliches Interesse an der Besetzung des Amts hatte (schlecht). Oder weil sie auch keinen Plan entwickelt hat, welches Signal von der Wahl ausgehen soll (noch schlechter). Und weil die große Union aus CDU und CSU jetzt doch tatsächlich ohne einen eigenen Kandidaten dasteht, von dem sie annimmt, dass er in der Bundesversammlung eine Mehrheit erringen könnte (ganz, ganz schlecht). Das alles zusammengenommen ist ein Desaster.
Wahrscheinlich zuerst einmal nicht nach außen hin, weil die Öffentlichkeit Steinmeier sieht und mit seiner (Aus-)Wahl zufrieden ist. Merkel wird außerdem alles daransetzen, das Ergebnis mit ihrer Ideologie des unbedingten Pragmatismus zu verbinden: Wenn doch die Deutschen so für Steinmeier sind, warum soll ich dagegen sein? Das kann schon auch verfangen.
Aber die Binnenwirkung! Die SPD baut der Sieg auf, Steinmeier steht einer rot-rot-grünen Koalition nicht im Weg, im Gegenteil, Teile der CDU werden sauer sein, die CSU wird es sich merken. Bis Ende 2017 kann sich das auswirken – in einer Weise, mit der Merkel bestimmt nicht gerechnet hat.