Handelsabkommen EU-Kanada: Gabriel verteidigt Ceta vor dem Verfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht will entscheiden, ob Deutschland das Freihandelsabkommen Ceta mit auf den Weg bringen darf. Wirtschaftsminister Gabriel warnt vor den Folgen einer Blockade.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das Bundesverfassungsgericht davor gewarnt, den Start des mit Kanada und den EU-Ländern ausgehandelten Freihandelsabkommens Ceta kurzfristig zu stoppen. Das Abkommen könne dann nicht wie vorgesehen beim nächsten EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober unterzeichnet werden, sagte Gabriel am Mittwoch in Karlsruhe. Es sei dann in der vorliegenden Form und damit voraussichtlich auch endgültig gescheitert. Denn Kanada sei nicht bereit, in einen neuen Verhandlungsprozess zu gehen. "Der Schaden für das Ansehen der EU und der Bundesregierung wäre gigantisch", sagte Gabriel. Weltweit würden Handelspartner das Vertrauen in die Union und Deutschland verlieren. Der Minister sicherte zu, die Bundesrepublik habe auch nach der Unterzeichnung das Recht, als einzelner Staat aus der geplanten vorläufigen Umsetzung des Abkommens auszusteigen.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt seit Mittwoch über mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, um der Bundesregierung ihre Zustimmung zu Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) im EU-Rat vorläufig zu untersagen. Die Richter wollen bereits am Donnerstag ein Urteil verkünden. Mit Ceta sollen Handels- und Investitionshemmnisse abgebaut werden. Zugleich behalten sich die Vertragsparteien vor, ihre Standards bei Gemeinwohlzielen wie Gesundheit und Umweltschutz selbst zu regeln. Die Bundesrepublik ist an mehr als hundert vergleichbaren Abkommen beteiligt, die in Karlsruhe bisher nicht beanstandet wurden.
"Was jetzt mit Ceta etabliert wird, das bleibt"
Das EU-Parlament muss Ceta noch zustimmen, ebenso muss das so genannte gemischte Abkommen von den Mitgliedstaaten noch ratifiziert werden, weil diese neben der EU ebenfalls Vertragspartner werden sollen. Ceta soll, wie bei solchen Abkommen üblich, bereits vor der Ratifikation vorläufig angewendet werden. Die Kläger, darunter politische Initiativen und die Linksfraktion, fürchten, dass damit Fakten zulasten Deutschlands geschaffen und demokratische Mitbestimmungsrechte ausgehöhlt werden. Linksfraktionsvize Klaus Ernst warnte vor Einschränkungen bei der Daseinsvorsorge und im kommunalen Selbstbestimmungsrecht. "Was jetzt mit Ceta etabliert wird, das bleibt".
Das Verfassungsgericht trifft am Donnerstag keine abschließende Entscheidung. Die Richter werden das Verfahren nur stoppen, wenn die Nachteile bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung schwerer wiegen würden als bei ihrem Erlass. Verfassungsrechtlich umstritten sind insbesondere die Kompetenzen des Ceta-Ausschusses sowie die Regelungen zum geplanten Schiedsgericht, das für Klagen von Unternehmen gegen den Staat auf Investorenschutz zuständig sein soll. Am Ausschuss kritisieren die Kläger, er könne künftig über Inhalte des Abkommens bestimmen, ohne nationale Parlamente beteiligen zu müssen. Das Schiedsgericht bezeichnete der Linken-Politiker Ernst als "Paralleljustiz", die das staatliche Rechtsprechungsmonopol durchbreche.
Gabriel mahnte, das Abkommen sei eine Chance, EU-Standards im globalen Handel durchzusetzen, was zunehmend schwierig werde. "Der Welthandel wächst, wir schrumpfen", sagte er. Es gehe um "demokratiekonforme Märkte" und vor allem die Interessen mittelständischer, exportorientierter Unternehmen, die sich dem Welthandel schlechter anpassen könnten als Konzerne. "Ceta schafft nichts Neues", sagte Gabriel, es stehen für Kontinuität in der Handelspolitik. Den Kritikern waren Regierung und EU entgegenkommen, indem etwa Klagen auf Investitionsschutz von der vorläufigen Anwendung ausgenommen wurden. Außerdem ist der Minister überzeugt, der Bundestag sei hinreichend beteiligt worden. "Über kein Thema hat der Bundestag in dieser Legislatur mehr diskutiert als über Ceta und TTIP".
Dennoch äußerten die Richter Bedenken, vor allem der Berichterstatter Peter Huber, der dem Gericht bereits den Entwurf für in Urteil vorgelegt haben dürfte. Ohnehin zeigt die Tatsache, dass für das Eilverfahren eine mündliche Verhandlung angesetzt wurde, dass die Richter voraussichtlich mindestens Nachbesserungen verlangen werden.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nannte Ceta ein "sehr komplexes Abkommen", dessen Vertragstext 500 Seiten umfasse, die durch 1800 Seiten mit Anlagen und Konkretisierungen ergänzt würden. Gegner wie Befürworter neigten zu Vereinfachungen, das Gericht werde aber "der Komplexität des Gegenstands Rechnung tragen".