Außenminister in Russland: Gabriel und Lawrow streiten auf offener Bühne
Syrien und die Ukraine: Die Außenminister Gabriel und Lawrow haben sich ein heftiges Wortgefecht geliefert.
Außenminister Sigmar Gabriel hat sich bei seinem Russland-Besuch einen verbalen Schlagabtausch mit seinem Kollegen Sergej Lawrow über mögliche Giftgasangriffe in Syrien geliefert. Während Lawrow die Warnungen Washingtons vor einem angeblich bevorstehenden Chemiewaffen-Angriff der syrischen Regierungstruppen als reine Spekulation zurückwies, warf Gabriel dem syrischen Präsidenten Baschar al Assad „schwere Kriegsverbrechen“ vor.
Insgesamt verlief das Treffen der beiden im südrussischen Krasnodar aber deutlich versöhnlicher als der Antrittsbesuch Gabriels in Moskau im März. Am Donnerstag reist der Vizekanzler nach Moskau weiter und trifft dort möglicherweise auch Präsident Wladimir Putin.
Es ist bereits der dritte Besuch Gabriels in Russland innerhalb von vier Monaten - bei den engsten Nato-Verbündeten in Washington, Paris und London war er noch nicht so häufig. Anlass für den Besuch ist eine Städtepartnerschaftskonferenz in Krasnodar. Beide Außenminister betonten, dass sie sich von der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene positive Effekte für die gesamten bilateralen Beziehungen erhofften. Gabriel sprach von einer „Völkerverständigung von unten“.
Es ging um möglichen Giftgas-Einsatz des Assads-Regimes
Bei der Pressekonferenz kam es aber zum Streit über Syrien. Das Weiße Haus hatte am Montag mit drastischen Worten vor einem Giftgas-Einsatz gewarnt. Sollten es dazu kommen, würde dies wahrscheinlich „den Massenmord an Zivilisten“ bedeuten, darunter unschuldige Kinder, hieß es in einer Erklärung. In diesem Fall würden Assad und sein Militär „einen hohen Preis“ dafür zahlen.
Lawrow warnte die USA vor einem Präventivschlag gegen syrische Regierungstruppen. Washington solle „nicht über flüchtige Aufklärungsinformationen spekulieren, die geheim sind und niemandem gezeigt werden dürfen“, sagte er. Gabriel warf Lawrow vor, die Assad-Regierung als „friedfertiges Regime“ zu verharmlosen. „Präsident Assad sitzt einem Regime vor, das in der Lage ist, tausende von Menschen in Folterkeller zu bringen“, sagte Gabriel. „Ich glaube einfach, dass der Schritt, gegen Regimegegner chemische Waffen einzusetzen für die dortigen Militärs kein so großer ist.“
Am 4. April 2017 waren bei einem mutmaßlichen Giftgas-Angriff auf die syrische Stadt Chan Scheichun mehr als 80 Menschen getötet worden. Der Westen macht die syrischen Regierungstruppen verantwortlich, Assad weist jegliche Schuld von sich - und wird von Russland in Schutz genommen. Die USA hatten damals mit einem Raketenangriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt reagiert.
Streit auch über die Situation in der Ost-Ukraine
Zweites Hauptthema war der Konflikt in der Ost-Ukraine. Lawrow pochte auf eine vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen für eine Lösung des Konflikts. Alle anderen Ideen seien „des Teufels“, sagte er. Im Osten der Ukraine kämpfen Kiewer Regierungstruppen seit 2014 gegen prorusssische Separatisten, die von Moskau militärisch unterstützt werden. An die Friedensregelung von 2015 in Minsk halten sich bislang weder Kiew, noch die Separatisten oder Moskau. US-Außenminister Rex Tillerson hat direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine gefordert, um den Stillstand zu überwinden.
Gabriel warb für eine Fortsetzung der derzeit geltenden Waffenruhe über die Erntezeit hinaus. „Waffenstillstand wegen Brot ist ja eigentlich eine ganz gute Idee“, sagte er. „Irgendwie fehlt mir die Phantasie, warum das eigentlich nicht viel länger gehen soll.“ Er äußerte die Hoffnung auf baldige Spitzenberatungen im sogenannten Normandie-Format mit Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine. Dies werde absehbar telefonisch geschehen, sagte Lawrow. (dpa)