US-Atomwaffen: Für Trumps Regierung ist Konfrontation der Normalzustand
Die US-Regierung von Donald Trump betont bei ihrer Nuklearstrategie die Konkurrenz der Großmächte. Da sind Abrüstungsverhandlungen kaum denkbar. Ein Kommentar.
Die amerikanische Regierung hat vor wenigen Tagen eine neue Nuklearstrategie veröffentlicht. Das Papier ist in mehrfacher Hinsicht beunruhigend. Zum einen zeigt es erneut, wie gründlich die USA ihre Außenpolitik nach Barack Obama neu ausrichten. Zum anderen wirft die Frage der nuklearen Abrüstung ein Schlaglicht auf die Gefahren, die im zerrütteten amerikanisch-russischen Verhältnis lauern.
Die neue Nuklearstrategie ist der Versuch, den Einsatz von Nuklearwaffen zu normalisieren. Die USA kündigen mit dem Papier den Ausbau „kleinerer“ Atomwaffen an. Auf Englisch heißen diese Waffen „Low yield“-Waffen, das heißt so viel wie „Waffen mit einem niedrigeren Effekt“. Doch auch wenn sie eine geringere Sprengkraft haben als andere moderne Atomwaffen, sind sie nicht weniger gefährlich. US-Nuklearexperten rechnen vor, dass sie immer noch das Potenzial haben, ganze Städte zu zerstören. Hier wird die Illusion aufgebaut, es gebe einen „begrenzten“ Nuklearkrieg. Gleichzeitig werden mit der neuen Strategie mögliche Einsatzgebiete für „kleinere“ Atomwaffen ausgeweitet. Sie werden als eine mögliche Antwort auf „nichtnukleare strategische Angriffe“ auf die USA betrachtet.
Dass Donald Trump persönlich keinen Sinn für die historische Aufgabe der nuklearen Abrüstung hat, bewies er ausreichend. Während des Wahlkampfes soll er einen Berater gefragt haben, was es denn bringe, wenn die USA zwar Nuklearwaffen besäßen, sie aber nie nutzen würden. In der Auseinandersetzung mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un prahlte er, er habe den größeren Atomknopf. Für Trump sind Atomwaffen Teil von Allmachtsfantasien. Sein Verteidigungsminister James Mattis, etwas nüchterner, verkauft die neue Ausrichtung als Realismus: Man sehe die Welt jetzt halt, wie sie sei, „nicht wie wir sie uns wünschen“.
Totalrevision
In jedem Fall ist die neue US-Atomstrategie ein weiterer Schritt in der Totalrevision der Außenpolitik Barack Obamas. Trumps Vorgänger bekannte sich 2009 in einer Rede in Prag zur Vision einer atomwaffenfreien Welt, 2010 unterzeichneten er und der damalige russische Präsident Medwedew das „Neue Start-Abkommen“ zur Begrenzung von Abschussvorrichtungen für strategische Atomwaffen. Am gestrigen Montag war ein Stichtag, beide Seiten meldeten Vollzug. Doch die Freude darüber ging im lautstarken öffentlichen russischen Ärger über die neue US-Nuklearstrategie unter.
Die Trump-Regierung dürfte die Reaktion wenig jucken. Sie betrachtet die Konfrontation als natürlichen Zustand. Ähnlich wie in der Nationalen Sicherheitsstrategie wird auch in der Nuklearstrategie die Konkurrenz der Großmächte betont.
Hier kommen zwei gefährliche Eigenheiten der Regierung Trump zusammen: zum einen seine düstere Sicht auf die internationalen Beziehungen als wildes und regelloses Spiel Jeder-gegen-jeden, besonders unter den Großmächten USA, China und Russland, gepaart mit der selbst zugefügten Sprachunfähigkeit mit der russischen Regierung.
Während des Wahlkampfs äußerte sich Trump mehrfach und auf teils bizarre Art und Weise positiv über Russland und stellte bessere Beziehungen in Aussicht. Seitdem hat die US-Regierung in vielen Punkten Härte gezeigt. Auf den Giftgaseinsatz durch das von Putin protegierte syrische Regime im April 2017 folgte ein US-Angriff auf eine syrische Luftwaffenbasis, die Sanktionen gegen Russland hat die Trump-Regierung verschärft. Das mag manchen erleichtern – doch der Präsident hat kaum eine Wahl. Er ist ein Gefangener der Untersuchung durch den Sonderermittler Robert Mueller. Jede ausgestreckte Hand würde ihm innenpolitisch zu seinen Ungunsten ausgelegt. Das schränkt ihn im Syrienkonflikt ein – aber eben auch bei der Rüstungskontrolle. Abrüstungsverhandlungen mit Russland, wie Obama sie führte, passen nicht zur Trump-Doktrin, sind aber auch politisch kaum denkbar. Aggression und Lähmung zugleich aber bilden eine explosive Mischung.