Russland-Koordinator Saathoff zum Fall Nawalny: „Für Sanktionen ist es noch zu früh“
Der SPD-Politiker Johann Saathoff ist neuer Russland-Koordinator der Bundesregierung. In der Debatte über den Fall Nawalny warnt er vor zu schnellen Reaktionen.
Johann Saathoff lernt jetzt Russisch. Auf den langen Zugfahrten von seinem ostfriesischen Wahlkreis nach Berlin macht sich der SPD-Bundestagsabgeordnete mit der kyrillischen Schrift vertraut. Geplant hatte er das nicht. Als ihn der SPD-Fraktionschef und der Außenminister vor einiger Zeit fragten, ob er sich vorstellen könne, Russland-Koordinator der Bundesregierung zu werden, kam das für ihn überraschend. Zugesagt hat er trotzdem. In seinem neuen Amt ist Saathoff nicht nur für Russland zuständig. Offiziell ist er „Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft“. Zwölf Staaten fallen also in seinen Zuständigkeitsbereich, von der Ukraine über Aserbaidschan bis nach Usbekistan.
Der SPD-Politiker gehört nicht zu den Außenpolitikern seiner Fraktion, sondern ist energiepolitischer Koordinator. Vor zwei Jahren erregte er im Bundestag Aufsehen – er hatte seine Rede in Teilen auf Plattdeutsch gehalten. In seinem Wahlkreis erzielte der langjährige Bürgermeister von Krummhörn 2017 das bundesweit beste Ergebnis für die Sozialdemokraten. Unter dem Motto „Tass Tee mit MdB“ hatte sich der Abgeordnete mit Menschen in seinem Wahlkreis getroffen.
Das Gespräch suchen, zuhören und Kontakte knüpfen – das sind Saathoffs Hauptaufgaben in seinem neuen Amt. Denn er ist nicht für Regierungskontakte zuständig, sondern für die Zusammenarbeit auf der gesellschaftlichen Ebene. „Wichtig ist, dass man sich auf Augenhöhe begegnet“, betont er.
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Allerdings tritt er das Amt zu einem schwierigen Zeitpunkt an. Das deutsch-russische Verhältnis ist nach der Vergiftung des Oppositionsführers Alexej Nawalny schwer belastet. Auch Saathoff fordert Russland nun zur Aufklärung der Tat auf. „Die russische Seite muss doch ein eigenes Interesse daran haben, dass der Fall aufgeklärt wird.“ In der deutschen Debatte über die Reaktion auf den Fall Nawalny geht ihm allerdings einiges zu schnell: „Man darf jetzt nicht einen Schritt überspringen und schon über Sanktionen reden. Dafür ist es noch zu früh.“
Eine Reaktion könne auch etwas anderes bedeuten als Sanktionen. Der Fall Nawalny sei keine Sache zwischen Deutschland und Russland, sondern erfordere eine internationale Reaktion, sagt Saathoff – und ergänzt: „Ich plädiere dafür, im Dialog mit der russischen Seite zu bleiben. Wir können doch nicht einfach sagen, mit den Russen sei sowieso nicht mehr zu reden.“
Saathoffs Skepsis in der Sanktionsdebatte hat wohl mit seiner Position zur Pipeline Nord Stream 2 zu tun: „Ich bin nach wie vor ein Freund dieser Leitung und halte sie auch für notwendig. Es gibt gute energiepolitische Gründe, Nord Stream 2 zu bauen.“ Saathoff verweist darauf, dass Russland mehr als 40 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases liefere. „Auch wenn wir Nord Stream 2 nicht zu Ende bauen, kommen immer noch 40 Prozent unseres Erdgases aus Russland.“
Beeindruckt von Protesten in Belarus
Für die Zusammenarbeit mit Belarus ist Saathoff in seinem neuen Amt ebenfalls zuständig. Die Proteste im Land hätten ihn „beeindruckt“, sagt er. Sucht der neue Beauftragte jetzt also das Gespräch mit der Protestbewegung? Er verweist darauf, dass der Koordinierungsrat sich gegen eine Einmischung aus dem Ausland ausgesprochen habe. „Das müssen wir respektieren.“ Der Dialog müsse innerhalb des Landes stattfinden, am besten unter Vermittlung der OSZE. Es sei „völlig inakzeptabel“ und mache ihn fast sprachlos, dass fast alle Mitglieder des Koordinierungsrates festgenommen worden seien. In seiner Arbeit gehe es nun darum, die Menschen in Belarus über Nichtregierungsorganisationen mit Partnern in Deutschland zu vernetzen – „aber ohne dabei den politischen Prozess zu beeinflussen“.
Im Fall Nawalny hat Saathoff noch ein kleines Anliegen. Mit denen, die geholfen haben, den vergifteten Oppositionellen nach Deutschland zu holen, würde er sich gern persönlich treffen. Doch bisher hat er damit noch gewartet. „Das soll ja keine PR-Aktion für mich werden. Ich will einfach Danke sagen.“