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Konkurrenten, die noch lachen können: Norbert Walter-Borjans (von links), Saskia Esken, Olaf Scholz und Klara Geywitz.
© Bernd Von Jutrczenka/dpa

Walter-Borjans will den Kanzlerkandidaten abschaffen: Für eine SPD, die nichts mehr will

Geht es nach Norbert Walter-Borjans, dem Kandidaten um den SPD-Vorsitz, stellt die Partei keinen Kanzlerkandidaten auf. Das verrät viel über ihn. Ein Kommentar.

Bei manchen Themen wirkt Norbert Walter-Borjans nicht wie ein Mann mit klaren Zielen, sondern wie eine Sphinx. Nicht festlegen wollte sich der Kandidat um den SPD-Vorsitz etwa in der Frage, wie er es mit der großen Koalition hält. Während seine Partnerin Saskia Esken für ein Ende des ungeliebten Regierungsbündnisses plädiert, wo immer es geht, blieb der frühere NRW-Finanzminister im Vagen.
Nun aber wagt sich der Gegenspieler von Klara Geywitz und Olaf Scholz im Kampf um die Macht in der SPD im Interview mit „Spiegel online“ aus der Deckung. Wer Esken und ihn wählt, bekommt demzufolge einen SPD-Chef, der selbst auf die Kandidatur verzichtet und auch sonst keinen SPD-Kanzlerkandidaten mehr aufstellen will.

Bei der Wahl entscheidet der Wähler (m/w/d), wer ihn vertreten soll. Wer nicht gestalten und handeln will, braucht sich um meine Stimme nicht zu bemühen.

schreibt NutzerIn Back_off_man_I.m_a_scientist

Nun könnte man es als eine neue Form von politischem Realismus preisen, wenn ein Aspirant um das höchste SPD-Amt strategische Schlüsse daraus zieht, dass die Partei in bundesweiten Umfragen kaum mehr über 15 Prozent hinauskommt. Doch es spricht viel dafür, dass hier ein Politiker bei einer allzu durchsichtigen taktischen Wende zu beobachten ist.

Wenn die SPD-Mitglieder bei der Vorsitzendenwahl nicht nur auf ihre eigene Befindlichkeit schauen, sondern vor allem auf die Chancen der Kandidaten beim Wähler, können Esken/Walter-Borjans ihre Konkurrenten Geywitz/Scholz schwer schlagen. Der Bundesfinanzminister gewinnt laut Demoskopen in der Kanzlerfrage haushoch gegen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Walter-Borjans möchte das offenbar nicht nutzen, falls er Chef wird. Er meint, dass die SPD über eine Menge anderer qualifizierter Köpfe verfüge.

Es wirkt, als wolle der frühere NRW-Finanzminister eine Disziplin für irrelevant erklären, in der er und seine Partnerin dem anderen Duo haushoch unterlegen sind: Wo angeblich kein Wettbewerb mehr nötig ist, braucht sich auch niemand zu beweisen. Das missachtet aber die alte Fußballerweisheit, wonach die Wahrheit auf dem Platz ist. Nicht was die SPD auf einem Parteitag beschließt, ist wichtig, sondern wie das später beim Wähler ankommt.

Die darbende SPD sollte sich selbst viel mehr zutrauen, als Walter-Borjans ihr zutraut. Die alte Welt der großen Volksparteien, die mit einem kleinen Partner regieren konnten, ist Vergangenheit. In einem Bundestag mit sieben Parteien kann in Zukunft womöglich auch eine politische Kraft unter 25 Prozent noch ein Regierungsbündnis anführen, wenn sie sich geschickt anstellt. Das immerhin sollte noch Ziel der SPD sein.

Walter-Borjans hat sich deshalb nun auch in der Groko-Frage entschieden. Der Verzicht auf einen Kanzlerkandidaten ist das geeignete Rezept für eine Oppositionspartei, die sich selbst verzwergt.

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