Asylstreit in der Union: Für die CSU wird der harte Kurs zur Gefahr
Die jüngsten schlechten Umfragezahlen aus Bayern für die CSU verstärken den Druck im Asylstreit auf die Unionsparteien weiter. Die Sorge vor Neuwahlen steigt.
In den Unionsparteien wächst von Tag zu Tag die Unruhe. Jüngste schlechte Umfragezahlen aus Bayern für die CSU verstärken die gegenseitige Irritation und den Druck noch. Ein gütliches Ende der bisher so noch nie dagewesenen Konfrontation zwischen den Vorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) über die Flüchtlingsfrage ist nicht abzusehen. Auch der Berliner Koalitionspartner SPD ist zu Beginn dieser als schicksalhaft angesehenen Woche in Alarmstimmung. Auf allen Seiten werden bereits Szenarien durchgespielt, was geschieht, wenn sich Bundeskanzlerin und Bundesinnenminister nicht einigen können. Am Sonntag will die CSU unter Führung Seehofers entscheiden, welche Schlüsse sie aus der Woche zieht.
Eine Trennung der seit Jahrzehnten in der Unionsfraktion des Bundestages vereinten Parteien CDU und CSU ist nicht abgewendet. Der Verlauf der Woche, so heißt es auf beiden Seiten, ist entscheidend. Appelle zur Mäßigung, interne wie öffentliche, zum Beispiel von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, hatten noch keine erkennbare Wirkung. Schäuble ist auch CDU-Präsidiumsmitglied. Im CDU-Präsidium herrscht die Meinung vor, dass es für keine der beiden C-Parteien von Vorteil wäre, künftig getrennt vorzugehen.
Gestützt wird diese Ansicht von jüngsten „Forsa“-Umfragezahlen für RTL und n-tv. Danach ist sowohl die Zufriedenheit mit Seehofers hartem Kurs im Amt des Bundesinnenministers als auch mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) überraschend gering. Im Falle Söders liegt sie bei 38 Prozent und damit etwa so niedrig wie kurz vor der Ablösung Seehofers als bayerischer Regierungschef. Hinzu kommt, dass die Zufriedenheit mit Merkels Politik in Bayern größer ist als angenommen. Darüber hinaus finden selbst unter den CSU-Anhängern 66 Prozent, dass es noch Wichtigeres als das Flüchtlingsthema gibt.
Im Falle einer Trennung der Union wäre eine Kenia-Koalition möglich
Die SPD-Führung kommt heute im erstmals offiziell tagenden Koalitionsausschuss mit den Unionsvertretern zusammen. Sie wird versuchen, sich ein Bild davon zu machen, ob sie ihre bereits angelaufenen Vorbereitungen zu vorgezogenen Neuwahlen womöglich noch intensivieren muss. Im Falle einer Trennung der CSU von der CDU ist auch noch eine „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen möglich. Ohne die CSU fehlen CDU und SPD nur zwei Stimmen zur Mehrheit. Im Hintergrund laufen vorsichtige Sondierungen. Allerdings wird in der CDU argumentiert, dass dieses Bündnis nicht ohne ausdrückliche Wählerlegitimation zustande kommen dürfte. Dagegen spricht, dass Wahlforscher für den Fall von Neuwahlen ein nochmaliges Erstarken der rechtspopulistischen AfD erwarten und eine weitere Schwächung der SPD. Beides würde ein Beben in der Parteienlandschaft auslösen, dessen Folgen für Deutschland als unabsehbar gelten. Die Stellung der Bundesregierung in Europa wäre ebenfalls betroffen.
Merkel will heute mit EU-Ratspräsident Donald Tusk konferieren. Tusk dürfte dem Wunsch nach einer Stabilisierung Ausdruck geben. Ein geschwächtes Deutschland wird in der EU mit großer Besorgnis gesehen. Von Merkels Regierungserklärung am Donnerstag ist Aufschluss darüber zu erwarten, ob sie mit Hilfe europäischer Institutionen rechnen kann. Das ist in Sonderheit wichtig für den folgenden EU-Gipfel. Den Partnern soll vor Augen geführt werden, was eine weitere Schwächung des Zusammenhalts dieser Union im Weltmaßstab bedeutet. Nicht zuletzt das Verhältnis zu den USA unter einem Präsidenten Donald Trump ist davon betroffen.
In dieser Situation wird in verschiedenen Führungskreisen erwogen, sich an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Mittler zu wenden. Steinmeier ist inoffizieller Architekt der großen Koalition. Vom Präsidialamt ist dazu nichts zu erfahren, traditionell enthält es sich weitgehend einer Kommentierung tagespolitischer Entwicklungen.