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CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit Demonstranten der Industriegewerkschaft BCE
© Robert Michael/dpa

AfD hat stark zugelegt: Für die CDU in Sachsen steht viel auf dem Spiel

Mit einer gemeinsamen Klausur in Dresden wollen die Spitzen von CDU und CSU im Endspurt Wahlkampfhilfe leisten. Umfragen sehen ein knappes Rennen mit der AfD.

Volker Bouffier redet nicht drum herum, warum er nach Dresden gekommen ist. Bei der Landtagswahl in Sachsen dürfe nicht „alles durcheinander gebracht“ werden, mahnt der hessische Ministerpräsident. Es ist Sonntagnachmittag, der CDU-Mann sitzt in einem stickigen Saal im Gewerkschaftshaus in Dresden, Gewerkschafter der IG BCE haben die CDU-Führung zur Diskussion über den Kohleausstieg und den Strukturwandel in den betroffenen Regionen eingeladen. Doch Bouffier nutzt die Gelegenheit für einen mahnenden Appell an die rund 100 Kohlekumpel und Betriebsräte: Wer eine verlässliche Zukunft haben wolle, müsse dafür sorgen, dass es eine „stabile Regierung“ gebe, sagt er.

Es geht um Wahlkampfhilfe

Zwei Tage lang treffen sich die Spitzen von CDU und CSU in der sächsischen Landeshauptstadt zur Klausur. Offiziell stehen die Themen innere Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands auf der Tagesordnung. Doch natürlich dient das Treffen der Unions-Spitzen vor allem einem Zweck: eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg dem Parteifreund und sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer Wahlkampfhilfe zu leisten. Der habe nicht nur sein Land „gut geführt“, lobt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Anschluss an die Sitzung. Auch im Bundesrat nehme er eine führende Rolle ein als „Sprachrohr der neuen Länder“.

Es steht ja für die CDU auch einiges auf dem Spiel am 1. September. In Sachsen hat die AfD in den letzten Jahren besonders zugelegt, bei der letzten Bundestagswahl und der Europawahl im Mai wurden die Rechtspopulisten stärkste Kraft. In den Umfragen vor der Landtagswahl liefern sie sich ein knappes Rennen mit der CDU - und das, obwohl Kretschmer als Ministerpräsident ordentliche Beliebtheitswerte erreicht. Auch für die Bundes-CDU und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Wahl eine Bewährungsprobe. Landet die CDU mit historisch schlechtem Ergebnis hinter der AfD, würde das auch ihr als Niederlage angerechnet.

Kretschmer versprach einen anderen Politikstil

Seit Monaten reist Michael Kretschmer deshalb durchs Land und stellt sich Diskussionen mit wütenden Bürgern. Für den 44-Jährigen war die letzte Bundestagswahl ein herber Einschnitt: Er verlor damals seinen Wahlkreis Görlitz an den AfD-Kandidaten und flog nach 15 Jahren aus dem Bundestag. Bei seinem Amtsantritt 2017 versprach Kretschmer den Bürgern einen neuen Politikstil – mehr zuhören, mehr kümmern. Es ist auch der Versuch, den Rechtspopulisten das Wasser abzugraben. Manchmal greift Kretschmer dabei auch zu Mitteln, mit denen er anderswo im Land aneckt – etwa als er im Juni den russischen Präsidenten Wladimir Putin traf. Dass er dabei auch die EU-Sanktionen gegenüber Russland anzweifelte, habe ihm viele zustimmende Zuschriften aus Bevölkerung eingebracht, hieß es in seinem Umfeld.

Im Endspurt liegt die CDU in den Umfragen vor der AfD

Im Wahlkampf-Endspurt kann Kretschmer nun ein wenig Hoffnung schöpfen. In den jüngsten Umfragen baute die CDU ihren Vorsprung vor der AfD leicht aus, auf rund fünf Prozentpunkte. Doch er weiß auch, wie fragil solche Stimmungen sind. Wahlen würden „auf den letzten Metern“ entschieden, stellt auch CSU-Generalsekretär Markus Blume zu Beginn der Klausur fest. Die Unions-Spitzen versuchen deshalb, sich als Hort der Verlässlichkeit zu präsentieren. „Vertrauen“ und „Sicherheit“, diese Worte fallen in der Abschlusskonferenz immer wieder. Die Union halte an der schwarzen Null fest, als „Zeichen finanzpolitischer Solidität“, sagt CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer. Es werde mit ihm auch keine Vermögensteuer geben, fügt CSU-Mann Söder hinzu.

Kramp-Karrenbauer bekräftigt den Kohlekompromiss

Am Sonntagnachmittag hat sich vor dem Gewerkschaftshaus in Dresden eine kleine Gruppe junger Aktivisten von Fridays vor Future versammelt, in Sprechchören fordern sie einen schnellen Kohleausstieg. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt einen Moment stehen, um mit den Demonstranten zu diskutieren. Später im Saal erzählt sie von ihrem Mann, ihrem Opa, ihrem Bruder, die alle im Saarland als Bergleute unter Tage gearbeitet hätten. Den Gewerkschaftern verspricht sie, den von der Kohlekommission ausgehandelten Kompromiss auch mit der Opposition und den Ländern festklopfen zu wollen: „Es gilt 2038“, sagt sie.

Nur wenig zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), seine Forderung bekräftigt, ehrgeiziger beim Kohleausstieg zu sein. Man könne sich auch das Jahr 2030 vornehmen, findet Söder – und greift damit ein Datum auf, das auch die Grünen für realistisch halten. Schon 2038 sei ein „schmerzhafter Kompromiss“, sagt der Arbeitsdirektor des Lausitzer Kohlekraftwerkbetreibers Leag beim Treffen mit der CDU-Spitze im Gewerkschaftshaus. „Uns wäre wohler, wenn der Kompromiss auch stehen würde.“

Verglichen mit den Auseinandersetzungen zwischen CDU und CSU im Wahljahr 2017 über den Kurs in der Flüchtlingspolitik sind solche Differenzen harmlos. Und doch fragt sich manch ein CDU-Wahlkämpfer, warum solche Vorstöße aus Bayern ausgerechnet kurz vor den Wahlen in den zwei Ländern kommen müssen, die besonders vom Kohleausstieg betroffen sind. Umgekehrt passt es CSU-Chef Söder nicht, dass in der Union im Wahlkampf so viel über den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen geredet wird. Intern habe er, ebenso wie Nordrhein-Westfalens Armin Laschet, deutlich gemacht, dass diese Debatte beendet werden müsse, berichten Teilnehmer.

Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen zieht sich aus dem Sachsen-Wahlkampf zurück

Noch immer sind einige in der Union verärgert, dass Parteichefin Kramp-Karrenbauer diese Debatte losgetreten hatte – mit der zumindest missverständlichen Äußerung, sie sehe bei Herrn Maaßen „keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet“. Später sah sie sich zur Klarstellung gezwungen, sie habe keinen Parteiausschluss gefordert. Am Sonntagabend, während die Unions-Spitzen im Tagungshotel zusammensaßen, kündigte Maaßen auf Twitter an, er werde sich aus dem Landtagswahlkampf der sächsischen CDU zurückziehen, da seine Unterstützung von Kretschmer „für nicht nötig“ erachtet werde. AKK, wie die Parteichefin genannt wird, will dazu am Tag danach lieber nichts mehr sagen. Bei der Klausur hätten sich die Präsidien beider Parteien mit der Zukunft des Landes befasst, sagt sie. „Mit nichts anderem.“

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