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Deutschland und Polen: Sind wir noch gute Nachbarn?
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Jubiläum der politischen Beziehungen: Fünf Dinge, die sich in der Beziehung zu Polen ändern müssen

1991 schlossen Deutschland und Polen den Vertrag über gute Nachbarschaft - zur "Silberhochzeit" nun stecken die beiden Nationen in einer Beziehungskrise. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Über diesem Jubiläum liegt ein Schatten. Deutsche und Polen feiern 25 Jahre gute Nachbarschaft. Doch Euphorie ist nicht zu spüren. Polen hat jetzt eine nationalkonservative Regierung. Sie betont den nationalen Stolz und die Souveränität des eigenen Staates und blickt skeptisch auf die europäische Integration. Mitunter sind antideutsche Ressentiments aus der Regierungspartei PiS zu hören. Zudem stellt sie die Unabhängigkeit der Medien und der Gerichte in Frage - die doch zu den Grundwerten in Europa zählen. Liegt es da nicht nahe, auf Distanz zu diesem Polen zu gehen? Andererseits wird das langsam zu einem Massenphänomen in Europa: Beziehungen, die als Garantie für den Zusammenhalt galten, funktionieren nicht mehr so recht. Was bringt die deutsch-französische Achse noch? Wie viel zählt die deutsch-italienische Partnerschaft? Was ist ein gutes Verhältnis zu London wert, wenn die Briten bald die EU verlassen? Von den Beziehungen zu Ungarn oder Griechenland, die auch schon besser waren, gar nicht zu reden. Viele rufen jetzt nach mehr Europa, zur Lösung praktischer Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise, aber auch zur Therapie. Nur: Wie soll mehr Europa die Ursachen der deutsch-polnischen, deutsch-französischen, deutsch-britischen Verstimmungen kurieren? Es ist gerade umgekehrt: Gute bilaterale Beziehungen sind die Voraussetzung für den Erfolg Europas. Wer mehr Europa will, fängt am besten damit an, das Verhältnis zu den Nachbarn zu reparieren.

Hat Deutschland immer richtig reagiert?

Gewiss kann man jeweils gut begründen, dass die Verschlechterung mehr an den Partnern liegt und weniger an Deutschland. Aber hilft das? Und wenn sich so viele Beziehungen parallel verschlechtern, darf - und muss - man auch fragen, ob die Deutschen immer richtig reagieren. Zeigen sie genug Verständnis und Einfühlungsvermögen, wenn Partner anders denken als sie? Taugt ihre Vorstellung von guter Nachbarschaft nur für die Gut-Wetter-Phasen, nicht aber für politische Tiefs?

Die historische Chancen, die sich aus dem Sturz des Kommunismus durch die Solidarnosc und dem Mauerfall ergaben, haben Polen und Deutsche lange intensiv genutzt - weil ihre Regierungen voran gingen. Die Erfahrungen mit Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg halfen dabei. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 förderte die Begegnung von Jugendlichen, Künstlern, Wissenschaftlern. Die Zahl der Städte- und Schulpartnerschaften wuchs über die Jahre.

Jetzt will eine Regierung mal nicht. Das kann man beklagen. Es ist aber auch ein Test der Zivilgesellschaften in Deutschland und Polen. Können und werden sie die Lücke füllen? Wenn eine wichtige Beziehung kriselt, muss man um sie kämpfen. Also, erstens, die Begegnung der Menschen nun erst recht verstärken. Das lohnt sich hier besonders wegen der vielen Polen, die mit Europafahnen für ein gutes Verhältnis demonstrieren.

Es ist nicht immer leicht, neben einem starken Land zu leben

Zweitens kann Deutschland, ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten, die gemeinsamen Interessen mit Polen vorantreiben. Beide wünschen eine stabile Ukraine, die sich trotz der russischen Aggression modernisiert. Beide wollen eine Energieversorgung im EU-Verbund, die alle EU-Staaten vor politischen Erpressungsversuchen schützt. Beide wollen, dass die Briten bleiben. Man kann beides zugleich tun: Klar sagen, dass wir Deutschen den Umgang mit den Medien und den Gerichten in Polen für bedenklich halten, und die gemeinsamen Interessen vorantreiben.

Drittens sollten die Deutschen sich öfter klar machen, dass es für die Nachbarn nicht immer leicht ist, neben einem so starken Land zu leben. Größere Völker kümmern sich in der Regel zu wenig um die Befindlichkeiten ihrer Partner. Die kleineren tun das ganz automatisch, weil alles, was der große Nachbar tut, Folgen für sie hat, von der deutschen Energiepolitik bis zum Umgang mit Russland und den Pipeline-Routen.

Viertens müssen die Deutschen nicht in der ersten Reihe der Kritiker stehen. Wegen der Geschichte können Polen das als Vorlage für antideutsche Ressentiments nehmen. Es gibt da eine internationale Arbeitsteilung, und das ist gut so. Die EU prüft, ob Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung in Polen bedroht sind. Auch die USA tragen ihre Bedenken in Warschau vor und finden da vor dem Nato-Gipfel in Warschau wohl auch mehr Gehör als Deutschland.

Streitthemen nicht auch noch zuspitzen

Fünftens können Deutsche wie Polen darauf verzichten, emotionale Themen noch zuzuspitzen, in der Regel aus innenpolitischen Motiven. Es nervt Polen verständlicherweise, wenn areligiöse Deutsche den Wunsch nach mehr Solidarität in der Flüchtlingsfrage mit dem Hinweis verbinden, die Polen seien doch eine katholische Nation, also einen Politikwechsel schon aus christlichen Motiven schuldig. Umgekehrt nervt es Deutsche zu Recht, wenn Warschau sich hinter die "Polonia" stellt. Diese Minderheiten-Funktionäre behaupten, die Rechte der nach Deutschland zugewanderten Polen würden missachtet. Das ist falsch. Dass es nicht früher mehr Förderung der polnischen Kultur und polnischer Schulen gab, lag nicht an unwilligen deutschen Behörden. Sondern daran, dass die politisch zerstrittenen Vertreter der Polen in Deutschland keinen gemeinsamen Ansprechpartner benennen wollten. Polen in Deutschland haben im Übrigen einen anderen Status als die deutsche Minderheit in Polen. Die Deutschen in Polen leben in Gebieten, wo sie immer gelebt haben. Sie wurden zur Minderheit, weil die Grenze verschoben wurde. Polen in Deutschland hingegen haben zumeist individuelle Entscheidungen getroffen, aus Polen auszuwandern. Die meisten von ihnen sind zufrieden mit dem, was Deutschland ihnen bietet. Sie wollen gar nicht von den Polonia-Funktionären vertreten werden.

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