Flüchtlinge im Mittelmeer: Frontex: Wir können "Mare Nostrum" nicht übernehmen
Italien will die Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer wegen der Kosten einstellen. Doch die EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht sich finanziell außerstande, die Operation "Mare Nostrum" zu übernehmen.
Anfang Oktober jährt sich die Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa zum ersten Mal. Vor einem knappen Jahr ertranken im Mittelmeer zwischen Tunesien und Sizilien fast 400 Menschen. Damals wurde die Operation „Mare Nostrum“ (Unser Meer) ins Leben gerufen. Damit sich die Tragödie von Lampedusa nicht wiederholt, retten italienische Fregatten und Schnellboote regelmäßig Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Doch vor dem Jahrestag der Katastrophe von Lampedusa gibt es Streit über die Fortsetzung der Operation, die seit Beginn des Jahres rund 100 000 Menschenleben gerettet hat. Italiens Innenminister Angelino Alfano erklärte vergangene Woche, wegen der millionenschweren Kosten müsse die EU und die EU-Grenzschutzagentur Frontex ab Oktober die Mission „Mare Nostrum“ übernehmen. Doch daraus dürfte nichts werden: „Gegenwärtig haben wir nicht die finanziellen Mittel, um die Operation ’Mare Nostrum’ zu übernehmen“, sagte Frontex-Sprecherin Ewa Moncure dem Tagesspiegel.
Rund neun Millionen Euro kostet die Hilfsmission „Mare Nostrum“ Italiens Steuerzahler pro Monat. Welchen Nutzen die Rettungsaktion bringt, zeigte sich erst wieder am vergangenen Wochenende. Mehr als 1900 Bootsflüchtlinge wurden auf dem Festland aufgenommen. Die Migranten, die sich in Nordafrika auf den Weg nach Norden gemacht hatten, wurden in Italien an mehreren Orten verteilt – in Kampanien und in Reggio Calabria an der Südspitze des Landes.
EU-Kommission erwartet mehr Engagement von Mitgliedstaaten
„Die Italiener leisten hervorragende Arbeit“, lobte EU-Kommissionssprecher Antony Gravili am Dienstag die Rettungsaktionen der Küstenwache in dem EU-Staat. In der EU-Behörde sei man sich sehr sehr wohl der Belastung bewusst, welche die Operation „Mare Nostrum“ für Italien bedeute. Gleichzeitig wies der Kommissionssprecher aber auch darauf hin, dass die Europäische Union Italien bei der Hilfe für Flüchtlinge bereits im großen Stil unterstütze – mit 500 Millionen Euro während der vergangenen mehrjährigen EU-Haushaltsperiode zwischen 2007 und 2013 und einer Nothilfe über 30 Millionen Euro seit der Tragödie von Lampedusa. In der gegenwärtigen Haushaltsperiode erhalte voraussichtlich kein EU-Land mehr Gelder in diesem Bereich als Italien, erläuterte der Sprecher.
Wenn nun ab Oktober nach einer Alternative für die Operation „Mare Nostrum“ gesucht wird, dann sieht die Brüsseler Kommission die EU-Mitgliedstaaten in der Pflicht. Die einzelnen EU-Staaten müssten mehr Geld, Ausrüstung und Personal für die Rettungsaktionen im Mittelmeer zur Verfügung stellen, sagte der Kommissionssprecher.
Auch bei der EU-Grenzschutzagentur Frontex, die in diesem Jahr 89 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt erhält, gibt es nach deren Angaben keinen finanziellen Spielraum für eine Übernahme der italienischen Rettungsmission. Frontex-Sprecherin Moncure verwies auf die beiden aktuellen Operationen der Grenzschutzagentur vor Italiens Küsten. Man sei zuversichtlich, dass die beiden Missionen, an denen 23 EU-Länder beteiligt sind und für die vom Jahresbeginn bis zum Herbst zwölf Millionen Euro veranschlagt sind, verlängert würden, sagte sie.