zum Hauptinhalt
Armin, ich denk' an mich - Friedrich Merz und Armin Laschet hinter der Kulisse des Parteitags
© to: Odd Andersen / via Reuters

Vom Hoffnungsträger zum Problemfall: Friedrich Merz droht die CDU wieder zu spalten

Er war immer ein schlechter Verlierer. Aber mit dem Versuch, sich ein Ministeramt zu ertrotzen, könnte Friedrich Merz den Bogen überspannt haben.

Eins hat Friedrich Merz geschafft: Gleich nach der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden reden wieder alle nur über ihn. In Armin Laschets ersten Interviews spielt der Verlierer eine Hauptrolle. In der Partei dominiert er den Tratsch danach. Eins hat Merz allerdings auch geschafft: Sie reden alle nicht gut über ihn.

Mit seinem vergifteten „Angebot“ an den Sieger, ihn gefälligst jetzt und gleich zum Wirtschaftsminister zu machen, scheint er seine Karten überreizt zu haben. Für die Partei wird aus dem Hoffnungsträger ein Problemfall.

Man kann das allein schon daran ablesen, wer am Sonntag Lust auf ein Telefonat hat oder sich sogar öffentlich äußert - und wer nicht. Treuen Merz-Unterstützern scheint es vorläufig die Sprache verschlagen. Mancher bittet um Nachsicht, er müsse noch eine Nacht drüber schlafen.

Eingeschworene Merz-Gegner sind gesprächiger, sehen sich aber naturgemäß nur bestätigt: Er sei eben doch ein egomanischer Ehrgeizling, von früh bis spät nur von Anbetern umgeben und sofort beleidigt, sobald nicht alles genau nach seinem Willen läuft.

Merz liefert seinen Gegnern das Material

Merz hat für diese Lesart selbst Indizien geliefert. Sein wütender Ausfall gegen ein angebliches Establishment, das den für Dezember geplanten Parteitag nur verschieben wolle, um ihn zu verhindern, kostete ihn schon Anhänger. Sogar in seiner Festung Baden-Württemberg wandten sich Sympathisanten ab. Wie solle das denn gehen mit so einem an der Spitze, beschreibt ein Delegierter das Motiv der Enttäuschten: „Als Parteivorsitzender und als Kanzler müssen Sie täglich mit Angriffen und Kränkungen umgehen können.“

Diese Gruppe der Skeptiker dürfte übrigens das gute Abschneiden des Drittplatzierten Norbert Röttgen im ersten Wahlgang ebenso erklären wie den relativ knappen Ausgang der Stichwahl. Wer Merz nicht mehr wollte, aber Laschet auf keinen Fall, für den sei Röttgen die Alternative gewesen, erklären sich Parteileute die Dynamik. Der von Angela Merkel gefeuerte Umweltminister erschien ebenfalls als eine Art Protestkandidat..

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]

Als Röttgen ausschied, schwenkten 81 Parteifreunde zurück zum alten Favoriten Merz. Der musste in der leeren Berliner Messehalle freilich das gleiche erleben, was ihm zwei Jahre vorher in der brodelnden Halle in Hamburg passiert war. Überzeugte dort die mäßige Rednerin Annegret Kramp-Karrenbauer viele mit einem emotionalen Appell an die Seele der Partei, traf hier der Bergmannssohn Laschet mit dem Stichwort „Vertrauen“ den Wärmekern.

Merz gab den Zuchtmeister, der in seiner Schlusspassage Führung als Zumutung anbot: „Ich werde es mir nicht leicht machen – Ihnen aber auch nicht!“ Das klang mehr nach Drohung als nach Verheißung.

Ein Satz dementiert sich selbst

Der Versuch, sich ebenfalls als leidenschaftlichen Diener der Partei zu präsentieren, ging vollends nach hinten los. Er sei damals mit 16 Jahren „nicht in eine Vermittlungsagentur für Regierungsämter eingetreten“, schmetterte der Sauerländer vom Podium ins Dunkel der Messehalle.

Das war an sich schon ein bisschen gewagt für einen Mann, von dem jeder weiß, dass er den CDU-Vorsitz nur als Sprungbrett ins Kanzleramt anstrebte. Nach seinem „Angebot“ an Laschet taugt der Satz bloß noch als Steilvorlage für Spötter oder als Studienbeispiel für verräterische Sprache, die nicht meint, was sie besagt, sondern das genaue Gegenteil.

Das „Angebot“ hat ja auch schon eine passende Vorgeschichte. Sie beginnt beim Hamburger Parteitag. Als Merz‘ Anlauf auf den CDU-Vorsitz vor zwei Jahren schon einmal scheiterte, lehnte er einen Sitz im Parteipräsidium ab und ließ seine Gefolgsleute aus dem Wirtschaftsflügel in die Welt setzen, Merz müsse jetzt ins Kabinett. Der Ruf war schon damals mit der Drohung unterfüttert, nur so ließen sich seine Anhänger versöhnen.

AKK, die Spaltung der Partei vor Augen, wollte ihm die Forderung sogar erfüllen. Sie wäre zu dem riskanten Versuch bereit gewesen, den Widerstand der Kanzlerin per Präsidiumsbeschluss zu brechen. Doch es kam nie dazu. Merkel blieb hart, die Merz-Anhänger unversöhnt und Merz selbst ein Ungebundener mit dem Theaterposten eines Vize-Vorsitzenden des CDU-nahen, aber nicht als Parteiorganisation anerkannten Wirtschaftsrats.

Merz war das Präsidium nicht genug

Diesmal war sein Sitz im Präsidium schon im Voraus aufgepolstert. Laschet, berichten Informierte, hatte vorige Woche Kramp-Karrenbauer gebeten, im Falle seines Sieges als Beisitzerin im wichtigsten Führungsgremium zu bleiben. Die scheidende Parteichefin lehnte dankend ab. Sie empfahl eingedenk der eigenen Erfahrung, den Platz dem Unterlegenen anzubieten.

Als sich die drei Bewerber direkt nach der Entscheidung in einen Nebenraum in der Messehalle zurückzogen, zeigte sich Merz im Grundsatz offen. In einer Sammel-SMS ließ er seine engen Unterstützer wissen: "Ich habe ihm angeboten, Verantwortung zu übernehmen, auch im Präsidium. Wir alle wollen, dass die CDU erkennbar und erfolgreich ist." Mittelstandschef Carsten Linnemann und der JU-Vorsitzende Tilman Kuban, die den Digital-Parteitag gemeinsam verfolgten, machten sich prompt öffentlich für den Präsidiumsplatz stark: Merz dort einzubinden wäre ein starkes Zeichen im Wahljahr.

Sie hatten das „auch“ überlesen. Merz war der dienende Parteiposten nicht genug. Er forderte das Wirtschaftsministerium obendrauf.

Laschet lehnte ab. Weder konnte er den Kabinettsitz zusagen, schon gar nicht aus dem Stand, noch hätte er es wollen können. In der kritischsten Phase der Corona-Pandemie den Verantwortlichen für die Überlebenshilfen für die Wirtschaft auszuwechseln – darauf könnte sich Merkel selbst dann nicht einlassen, wenn der Anwärter sich nicht zwei Jahrzehnte lang als ihr rachsüchtiger Intimfeind aufgeführt hätte.

Altmaier selbst betonte anderntags, die große Mehrheit wolle nicht über Posten reden, sondern dass man die Ärmel aufkremple. „Außerdem ist Integration besser als Spaltung.“

Merz sah das am Samstag anders: Ohne Ministerium kein Präsidium, basta! Röttgen hatte auf die Gelegenheit gewartet und bewarb sich. Laschet musste zurück auf die Tribüne. Noch während er im Schlusswort ankündigte, er werde mit Merz darüber reden, an welcher Stelle der am besten „in der Partei“ mitarbeiten könnte, liefen die ersten Meldungen über die Ticker: Merz forderte das Ministerium jetzt kurzerhand öffentlich ein.

Ein Affront und eine Legende

Merkel wies ihn kühl ab: „Die Bundeskanzlerin plant keine Regierungsumbildung“, ließ sie den Regierungssprecher ausrichten. Laschet ließ ihn sachte abblitzen: „Die Frage steht heute nicht an“, sagte er in seinen ersten Interviews. Der designierte Parteichef – formal muss er bis zum Briefwahlergebnis am Freitag warten – ließ aber auch durchblicken, wie das Treffen mit Merz verlaufen war. Das sollte Dolchstoß-Legenden entkräften.

Davon sind ohnehin genügend unterwegs. Eine geht gegen Jens Spahn. Der Gesundheitsminister, zürnen Merz-Anhänger, habe ein übles Foul begangen, als er die Fragerunde nach der Kandidatenvorstellung als Werbeminute für Laschet nutzte. Tatsächlich, berichten Delegierte, hätte Spahn dem Teampartner den Sieg damit eher vermasseln können. Denn in den internen Whatsapp-Gruppen der Delegierten empörten sich Anhänger aller drei Bewerber gleichermaßen.

Formal war der Beitrag sogar zulässig. Die Satzung fordert keine Frage beim Tagesordnungspunkt „Aussprache“. Politisch war er instinktlos, zumal nachdem der Minister in den Monaten vorher mehr sich selbst als seinen Teamfreund promotet hatte. Spahn kassierte ein mieses Ergebnis als Stellvertreter und musste sich am Sonntag zerknirscht entschuldigen: „Es war nicht das passende Format.“

Laschets knappes Wahlergebnis ist Bürde genug

Von Merz war vorerst nichts weiter zu hören. Fürsprecher fand er nicht. Unterstützer wie der frühere Hessen-Chef Roland Koch oder die baden-württembergische Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann forderten Geschlossenheit. Eisenmann will in acht Wochen ihre Wahl gewinnen. Das ist, trotz starken Rückenwinds aus Berlin, gegen den beliebten grünen Landesvater Winfried Kretschmann nicht leicht. Innerparteiliche Gefechte sind das letzte, was sie brauchen kann.

Die Baden-Württemberger könnten vielmehr ein Präsidiumsmitglied Merz gebrauchen, das sich als guter Teamspieler mit jedem Wahlkreisbewerber zeigt. Aber wer, fragt sich ein Abgeordneter aus dem Ländle, könne den Partisanenkrieger in eigener Sache jetzt überhaupt noch einladen? Das werde doch sofort als verdeckter Affront gegen den neuen Bundesvorsitzenden gedeutet. Laschets knappes Wahlergebnis ist ohnehin Bürde genug. Es zeigt den gleichen Riss in der Partei wie vor zwei Jahren.

Merz weiß ja selbst auch ganz genau, wie wichtig es im Bundestagswahljahr wäre, diesen Riss wenigstens zu übertünchen. Am Donnerstagabend war er als Videogast bei der Jungen Union. Bei der Bestätigung des neuen Chefs per Briefwahl, forderte er dort, müsse mindestens eine Acht vor dem Endergebnis stehen. Da war er allerdings noch sicher, dass der Chef er sein wird.

Zur Startseite