Anspannung zwischen Polen und Deutschland: Freundschaftlicher Unmut
Nach dem Streit um Äußerungen deutscher EU-Politiker zur Rechtsstaatlichkeit Polens bemühen sich Warschau und Berlin um Schadensbegrenzung. Doch der Unmut in Polens Regierung über die Nachbarn sitzt tief.
Einen Botschafter kurzfristig zum Gespräch ins Außenministerium zu bitten, gehört in der Diplomatie eigentlich zu den eher undiplomatischen Methoden. Die polnische Regierung wollte nach Angaben des Außenamtssprechers bei dem Treffen „antipolnische Äußerungen deutscher Politiker“ zum Thema machen. Doch am Montag waren beide Seiten sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. „Wir sind auf gutem Wege“, sagte der polnische Außenminister Witold Waszczykowski (PiS) nach seinem Gespräch mit dem deutschen Botschafter Rolf Nikel.
Dieser betonte nach dem Treffen die freundliche Atmosphäre bei Waszczykowski, der einst in Berlin studiert hatte. „Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein Schatz, den wir bewachen wollen, damit sie sich in Zukunft weiterentwickeln“, sagte Nikel. Und in Berlin betonte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen seien „so eng wie in unserer Geschichte noch nie“. Das solle bewahrt und möglichst vertieft werden.
Waszczykowski lud Kritiker ein, sich in Polen ein Bild von der Lage zu machen. „Die beste Lösung wäre ein Besuch deutscher Politiker in Polen, um sich zu überzeugen, dass es um die polnische Demokratie nicht so schlecht steht, wie es ihnen scheint“, sagte der Minister. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will möglichst bald nach Polen reisen. Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo (PiS) wird im Februar in Berlin erwartet.
Die rechtsnationale Partei PiS hatte nach ihrem Wahlsieg im Oktober Reformen eingeleitet, mit denen sie Justiz und Medien in ihrem Sinne lenken will. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) verglich Polen deshalb sogar mit dem zunehmend autoritär regierten Russland und sprach von „Demokratie nach Putins Art“. Zuvor hatte sich der für Medienpolitik zuständige deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger dafür ausgesprochen, jetzt den sogenannten EU-Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren und Polen „unter Aufsicht“ zu stellen. Weitgehend unbeachtet blieben in polnischen Regierungskreisen ähnliche Einschätzungen der luxemburgischen EU-Justizkommissarin Viviane Reding.
Die PiS-Regierung stört sich aber einzig an der Kritik deutscher EU-Politiker. So schrieb der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro am Wochenende aufgebracht an Oettinger und kritisierte dessen Drohung, Polen unter Aufsicht zu stellen: „Solche Worte von einem deutschen Politiker wecken bei Polen die schlimmsten Assoziationen.“ Sein Großvater habe während des Zweiten Weltkrieges in der polnischen Heimatarmee im Untergrund gegen „deutsche Aufsicht“ gekämpft, schrieb der Justizminister.
Die Äußerungen von EU-Parlamentspräsident Schulz stießen auch in Deutschland auf Kritik: Der Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sprach von einem „verbalen Amoklauf“, dies verstärke „antideutsche und antieuropäische Gefühle“ in Polen. „Es ist nicht richtig, wenn man das Land pauschal verurteilt und auf eine Stufe mit Putins Russland stellt“, sagte er im Deutschlandfunk. Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner sprach von einer „Entgleisung“.
Die EU-Kommission will offenbar vorerst kein offizielles Verfahren gegen Polen zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit einleiten, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen ranghohen EU-Vertreter berichtete. Am Mittwoch wird die Kommission nach Angaben ihres Sprechers zunächst eine „Orientierungsdebatte“ führen. Danach will die Kommission einen „konstruktiven Dialog“ mit Warschau beginnen.