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Bundeskanzler Olaf Scholz mit Präsident Emmanuel Macron im Elysee-Palast.
© Ludovic MARIN / AFP

Antrittsbesuche von Scholz und Baerbock: Freude in Paris, Ernst in Warschau

An der Seine hätte ruhig mehr Enthusiasmus für europäische Reformen aufkommen können - denn die Ampel will hier viel und Macron sowieso. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Es gab einmal ein Weimarer Dreieck. Das war ein 1991 gegründetes Gesprächsformat, das Deutschland und seine beiden großen Nachbarn Frankreich und Polen zusammenbrachte – zur Heranführung Polens an die EU und später zur Stärkung der europäischen Integration.

Viele schöne Städtepartnerschaften sind daraus erwachsen, aber ein Treffen der Außenminister gab es zuletzt 2014. Nicht gepflegt, ist dieses Format eingeschlafen. Jetzt sind Außenministerin und Bundeskanzler zu Antrittsbesuchen in eben diese Nachbarländer gefahren – und das politische Umfeld könnte unterschiedlicher nicht sein.

In Polen geht es um den Versuch, trotz tiefster Differenzen im Hinblick auf fundamentale Themen wie Rechtsstaat und Gewaltenteilung den Gesprächsfaden mit einer Regierung aufzunehmen, die sich zunehmend Europa- und auch deutschenfeindlich äußert.

In Paris dagegen ist die Genugtuung über die Neuen groß, denn der europhile Präsident Emanuel Macron kann hoffen, endlich deutsche Sparringpartner für mehr Reformen und Ermächtigung in der EU zu finden. Kontrastreicher geht es kaum.

Annalena hat offensichtlich einen guten Draht zum "lieben Jean-Yves"

Auch wenn es bei Antrittsbesuchen erstmal ums Kennenlernen, ums Atmosphärische geht – erste Schlussfolgerungen lassen sich ziehen: Baerbock hat in Paris offensichtlich gleich einen guten, offenen Draht zu ihrem Amtskollegen, dem „lieben Jean-Yves“ (Le Drian) aufbauen können. Auf der Pressekonferenz leiert sie dann allerdings erstaunlich routiniert diplomatische Floskeln herunter – da wird von neuem Schwung in der Europapolitik wenig spürbar.

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Dabei wäre etwas Enthusiasmus durchaus angebracht: Die ambitionierten Pläne der Ampel im Hinblick auf die EU lauten: Vertiefen, reformieren und die strategische Souveränität stärken. Dafür wirbt Macron seit Jahren mit Verve – Angela Merkel hatte ihn damit aber sehr lange allein im Regen stehen lassen.

Bei den Auftritten von Baerbock und Scholz in Paris wurde immerhin deutlich, dass die unterschiedlichen Haltungen zur Atomkraft und zum Stabilitätsfonds diese gemeinsame Reformstoßrichtung nicht verhindern sollen. Macron und Scholz sind tief eingestiegen in die Themen, vertraut wirkten sie noch nicht.

Und Macron nutzte den Presseauftritt mehrfach zu der Erwähnung seiner Themen für die französische EU-Ratspräsidentschaft ab Januar, die er – wohl kaum zufällig – am Vorabend vorgestellt hatte. Macron muss aufpassen, dass er diese nicht zu sehr für innerfranzösische Wahlkampfzwecke instrumentalisiert – im April ist Präsidentschaftswahl. Sonst könnte Berlin sich zurückhalten. Dabei können die Reformvorhaben der Ampel und der energiegeladene Gestalter Macron Europa neuen Schwung geben. Zumal Deutschland unter Baerbock 2022 den Vorsitz der G7-Staatengruppe übernimmt. Die Zeichen stehen also eher auf Aufbruch.

Annalena Baerbock mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau am Freitag.
Annalena Baerbock mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau am Freitag.
© imago images/photothek

Anders in Warschau. Hier hatte gerade erst die rechtsnationale französische Präsidentschaftskandidatin Marine le Pen mit der Regierungspartei PIS und anderen rechtspopulistischen Partien nach neuen Allianzen gesucht. Nun stellte sich eine Annalena Baerbock vor, deren allgemeines Pochen auf Rechtstaatlichkeit die PIS-Regierung jetzt schon nervt.

Sie spricht von deutsch-polnischer Freundschaft, findet Zuhören manchmal „wichtiger als selbst viel zu sagen“ und zollt Polen für seine Verdienste für Europa und seine Opfer im Krieg Anerkennung. Das trifft den richtigen Ton. Aber der Kontrast zu ihrem Enthusiasmus beim Paris-Besuch, bei den engsten Freunden der Deutschen, wie sie schwärmte, ist spürbar groß. Vielleicht kann Olaf Scholz es bei seinem Besuch in Warschau am Sonntag noch einmal mit etwas mehr politischer Umarmung versuchen. Damit auch hier ein Hauch von Neuanfang aufkommt. Nötig wär´s.

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