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Die Herzen der Menschen (wieder)gewonnen: Gläubige empfangen in Asuncion in Paraguay den Segen von Papst Franziskus.
© AFP

Papst Franziskus in Südamerika: Frei sein, schon auf Erden

Papst Franziskus ist die späte Rache der Befreiungstheologie. Unter ihm findet die Kirche ihre prophetische Rolle wieder, stellt sich auf die Seite der Armen, der Indianer, der Landlosen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Philipp Lichterbeck

Dieser Papst geht in die Hölle. Palmasola liegt in Bolivien, ist eine Gefängnisstadt, umgeben von Mauern und Wachposten. Tausende Häftlinge leben dort, sich selbst überlassen, es herrscht das Recht des Stärkeren, Mord gehört zum Alltag, die Häftlinge nennen es „Sodom und Gomorrha“. Papst Franziskus war dort und hat den Gefangenen gesagt: „Der Dämon sucht die Rivalität, das Trennende.“

Ähnliches sagte er wenig später über den Kapitalismus. Papst Franziskus ist Jesuit, kein Sozialist. Aber er hat es geschafft, die katholische Kirche in den aktuellen sozialen Fragen eindeutig links zu positionieren – sei es die Gleichberechtigung von Homosexuellen, der Umweltschutz oder wie nun: ein Wirtschaftssystem, das perverse Ungleichheit schafft. Die konservative Haltung seiner Vorgänger stellt er vom Kopf auf die Füße.

Den Ort dazu hat er bewusst gewählt: Südamerika, immer noch die Region auf der Welt mit der ungerechtesten Verteilung von Land und Wohlstand. Auch die Route, die Franziskus für seine Reise ausgesucht hatte, war kein Zufall. Es ging in die drei ärmsten Länder des Subkontinents. Gleichzeitig diejenigen mit dem höchsten Anteil an indigener Bevölkerung.
In Bolivien, seit 2006 erfolgreich von dem Sozialisten und Indio Evo Morales regiert, hielt er seine bisher radikalste Rede. Den Kapitalismus nannte er eine „subtile Diktatur“ und forderte Gleichverteilung: „Dieses System ist nicht mehr haltbar!“ Emotionaler Höhepunkt war die Entschuldigung, die der Papst den indigenen Völkern Amerikas anbot. Ein Eingeständnis von Schuld aus Rom. Und Rückenwind für Morales.

Franziskus legt sich mit den Machthabern an

Nur einen Tag später war Franziskus in der Sojadiktatur Paraguay, ein auch nach lateinamerikanischen Maßstäben extrem korruptes Land. Die kleine weiße Elite putschte 2012 den linken Priester Fernando Lugo förmlich aus dem Präsidentenamt. Franziskus legte sich prompt mit den neuen Machthabern an: „Korrupte Politiker können ihre Rolle nicht erfüllen.“

Dieser Franziskus, er ist die späte Rache der Befreiungstheologie. Sein Vorvorgänger Johannes Paul II. verurteilte in den Achtzigern mithilfe Joseph Ratzingers die Befreiungstheologen Lateinamerikas. Im Stich gelassen, wurden sie von den Chargen der Militärdiktaturen verfolgt und ermordet. Als Papst Benedikt XVI. sagte Ratzinger dann in Brasilien über den Völkermord an den Ureinwohnern, diese hätten die Evangelisierung „unbewusst herbeigesehnt“.

Der abgehobene deutsche Papst hatte die Menschen im katholischsten aller Erdteile in die Arme der evangelikalen Sekten mit ihrer perversen Theologie des Wohlstands getrieben. Franziskus ist gerade dabei, sie zurückzugewinnen. Unter ihm findet die Kirche ihre prophetische Rolle wieder, stellt sich auf die Seite der Armen, der Indianer, der Landlosen. Nicht zufällig wurde der Papst von Millionen umjubelt. Franziskus Megastar.

Man muss die katholische Kirche nicht mögen. Man kann dennoch froh über diesen frohen Papst sein, der die Menschen ermutigt, frei zu sein. Schon auf Erden.

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