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Parteichefin Frauke Petry steht unter Druck wie nie zuvor in ihrer Amtszeit.
© dpa

Vor AfD-Parteitag am Samstag: Frauke Petry will "völkisch" entspannt benutzen

Die AfD will sich beim Parteitag in Stuttgart ein Grundsatzprogramm geben. Im Fokus stehen auch die Haltung zum Islam, die Rechtslastigkeit - und Parteichefin Frauke Petry.

Drei Jahre nach ihrer Gründung will die Alternative für Deutschland (AfD) am Wochenende erstmals ein Parteiprogramm beschließen. Den mehr als 2000 erwarteten Teilnehmern des Parteitags in Stuttgart liegt der Programmentwurf des Vorstands vor, mit dem die mittlerweile vor allem wegen ihrer rechtspopulistischen Positionen aufsteigende AfD ihre Ablehnung des Islam zementieren will. Im Interview mit dem "RTL-Nachtmagazin" hat Parteichefin Frauke Petry am Mittwochabend erneut betont, dass die AfD sich nach rechts abgrenzen will und gleichzeitig die islamkritische Ausrichtung ihrer Partei verteidigt. Dem Leitantrag der AfD zufolge gehört der Islam "nicht zu Deutschland". Petry erklärte: "Ich würde das ganz gern ergänzen: Der Islam gehört in dieser Ausprägung, die wir gerade beschrieben haben, mit einem Herrschaftsanspruch und einer Intoleranz gegenüber einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und auch gegenüber Minderheiten und anderen Religionen in der Tat so nicht zu Deutschland. Aber: Gut integrierte Muslime, die all das beachten, gehören für uns zu Deutschland."

Wer den Begriff 'völkisch' überhaupt auch nur meint, in sanfter Art benutzen zu dürfen, rückt sich unweigerlich in das Terrain des 3. Reichs. Da nützen auch Relativierungen nichts.

schreibt NutzerIn morgensum5

Zu den Vorwürfen der Rechtslastigkeit an die Adresse der AfD sagte sie, die "Notwendigkeit einer scharfen Abgrenzung ist uns sehr wohl bewusst und wir versuchen nach bestem Wissen und Gewissen, sie in unseren Kreisverbänden durchzuhalten". Die AfD habe "eines der strengsten Aufnahmekriterien für eine demokratische Partei. Wir nehmen generell keine Mitglieder auf, die jemals in der NPD waren, auch wenn dies Jahre zurückliegt." Sie sagte aber auch: "Wir sollten mit dem Begriff Volk und völkisch entspannter umgehen. Ich weiß, dass es eine schwierige Rhetorik ist, aber sich für das eigene Volk einzusetzen, ist die Hauptaufgabe jedes Politikers in einem Land."

Die Wahlerfolge gelangen der AfD bisher, obwohl (oder weil) sie kein Parteiprogramm hatte. Bisher gibt nur knappe "Leitlinien", die noch die Handschrift von Ex-Parteichef Bernd Lucke tragen. Das soll sich jetzt ändern: Die Mitglieder sollen nun klären, wo die Partei inhaltlich steht und das erste Grundsatzprogramm verabschieden. Der komplizierte Programmprozess war ursprünglich noch von Lucke angestoßen worden.

Um was geht es bei dem Parteitag?

Den Mitgliedern liegt ein Programmentwurf des Bundesvorstands vor. Das 80seitige Papier hatte schon im Vorfeld viel Wirbel ausgelöst, vor allem seiner Thesen zum Islam wegen. Zu dem Leitantrag des Vorstands liegen schon jetzt mehr als 1600 Seiten an Änderungsanträgen vor. Selbst in der Parteispitze wird bezweifelt, dass die AfD am Ende des Wochenendes ein fertiges Programm hat; womöglich werden auch nur Teile verabschiedet. Dann würde es in wenigen Monaten einen Fortsetzungsparteitag geben müssen. Allerdings hat die AfD inzwischen Erfahrung mit solchen Mammut-Parteitagen: Am Richtungsparteitag im Sommer 2015 in Essen, wo Lucke abgewählt wurde, hatten mehr als 3500 Mitglieder teilgenommen. Von daher spricht einiges dafür, dass die Versammlung nicht im Chaos enden wird, auch wenn die Polizei mit massiven Störungen durch Gegendemonstranten rechnet. Mehr als 1000 Beamte sollen bereitstehen, um das Tagungsgelände an der Stuttgarter Messe abzusichern. Das massive Aufgebot ist aus Sicht der Polizei nötig, weil „unfriedlicher Protest“ denkbar sei.

Wie könnte sich die AfD im Hinblick auf den Islam positionieren?

Der Abschnitt zum Islam, der sich im Kapitel „Kultur, Sprache und Identität“ versteckt, umfasst nur zwei Seiten, hat es aber in sich. So wird nicht nur ein generelles Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst und in Schulen gefordert, sondern auch ein Verbot von Minarettbauten. Ob das alles verfassungsrechtlich möglich ist, wurde nach Angaben aus dem Vorstand nicht geprüft. Gut möglich, dass die Islam-Passagen von der Basis noch einmal verschärft werden. Mehrere Änderungsanträge fordern zum Beispiel, auch den Bau von Moscheen generell zu verbieten. Außerdem ist noch nicht einmal sicher, ob der Vorstandsentwurf überhaupt Grundlage der Beratungen wird. Es liegen zwei Gegenentwürfe vor: Einer von dem Konstanzer AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon und einer aus Niederbayern. Letzter enthält zum Beispiel den Satz: "Der Islam ist auf seinem erklärten Weg zur Weltherrschaft bereits bei 57 von 190 Staaten angelangt." Er ist radikaler als der Vorstandsentwurf, fordert zum Beispiel ein Verbot religiöser Beschneidungen und des Schächtens. Er könnte vom Rechtsaußen-Flügel der Partei genutzt werden, um die eigenen Positionen stärker in den Vordergrund zu spielen. Dieser Flügel um den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke hatte sich in den vergangenen Monaten auffällig ruhig verhalten und dürfte nun wieder lauter werden.

Wie kontrovers sind die Positionen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik?

Das ist ein Bereich des AfD-Programms, der bisher kaum beachtet wurde, der aber inhaltlich einigen Zündstoff bietet. So waren die beiden Parteichefs Frauke Petry und Jörg Meuthen stets gegen den Mindestlohn. Im Programmentwurf steht er nun drin. Insgesamt atmet der Entwurf noch den wirtschaftsliberalen Geist der AfD-Gründertage. So wird eine Abschaffung der Erbschaftsteuer und ein Stufentarif bei der Einkommensteuer gefordert. Bei den Landtagswahlen war die AfD weit überdurchschnittlich von sozial Schwachen gewählt worden. Kaum vorstellbar, dass solche Positionen dort auf Gegenliebe stoßen. Das Kapitel zur Gesundheitspolitik wurde gleich ganz gestrichen – dem Vernehmen nach, weil sich dort vor allem die parteiinterne Ärztelobby durchgesetzt hatte.

Welche Bedeutung hat der Parteitagsverlauf für die Führungsfrage?

Parteichefin Frauke Petry steht unter Druck wie nie zuvor in ihrer Amtszeit. Zuletzt erregte das Ende ihrer Zusammenarbeit mit AfD-Pressesprecher Christian Lüth Aufsehen – die restlichen Vorstandsmitglieder sprachen ihm hingegen ihr Vertrauen aus. Geschadet haben Petry nicht allein ihre Äußerungen vom Februar zu einem Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der deutschen Grenze. Sie agiere zu eigenmächtig und sei beratungsresistent, heißt es aus dem Bundesvorstand. Außerdem stößt ihr politisches Doppelspiel mit ihrem Lebenspartner Marcus Pretzell, dem Chef der NRW-AfD, auf Missfallen. Der mitunter aufbrausende Pretzell gilt vielen in der Partei als Rotes Tuch. Ein gemeinsamer Auftritt des Paares Petry/Pretzell in der "Bunten", wo Pretzell sagte, Petry habe "etwas dämonenhaft Schönes", hat beiden parteiintern geschadet.

Im Bundesvorstand gilt Petry mittlerweile als isoliert. Allerdings ist dort keine Alternative in Sicht, wenn es um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017 geht. Deshalb kursiert das Szenario, Petry solle als eine Art Frühstücksdirektorin nach außen agieren, intern aber eingehegt werden. Ersetzt werden könnte sie im Zweifelsfall durch Parteivize Alexander Gauland.

Petry dürfte versuchen, ihre Rede vor der Parteibasis in Stuttgart für einen Befreiungsschlag zu nutzen. In einem Interview mit dem aktuellen "Stern" warnte sie bereits vor einem weiteren Rechtsruck und drohte mit einem möglichen Rückzug: "Die AfD wird sich entscheiden müssen, wo sie hin will. Will sie eine konservativ-liberale oder eine nationalkonservativ-soziale Partei sein?" Auf die Frage, ob es für sie einen Punkt gebe, wo sie die Entwicklung der AfD als Vorsitzende nicht mehr mittragen könne, sagte sie: "Das werde ich davon abhängig machen, wo die Partei in ein paar Jahren steht."

Schiffbruch erleiden könnte Petry mit dem Antrag, den Landesverband Saarland aufzulösen. Dem müsste eine Dreiviertel-Mehrheit des Parteitags zustimmen, was als ungewiss gilt. Petry hatte den Auflösungsbeschluss des Vorstands maßgeblich vorangetrieben, mit der Begründung, dass die saarländische Landesspitze Kontakte zu Rechtsextremisten unterhalten. Das AfD-Schiedsgericht hatte die Auflösung aber gestoppt.

Wie wird sich die AfD im Verhältnis zu Parteien wie der FPÖ und dem Front National positionieren?

Auch das soll Thema auf dem Parteitag werden. Hintergrund ist der Ausschluss von Marcus Pretzell aus der konservativen EKR-Fraktion im Europäischen Parlament vor einigen Wochen. Seine Parlamentskollegin Beatrix von Storch war dem durch Übertritt in die Fraktion des britischen EU-Kritikers Nigel Farage zuvorgekommen. Pretzell könnte versuchen, in Stuttgart eine Abstimmung darüber herbeizuführen, in welche Fraktion die beiden AfD-Abgeordneten wechseln sollen. Vor allem die FPÖ gilt in der AfD als großes Vorbild – zumal nach ihrem Wahltriumph vom Wochenende. Kritischer dagegen wird das Verhältnis zum französischen Front National gesehen, wegen seiner antisemitischen Vergangenheit und "sozialistischer" Positionen in der Wirtschaftspolitik, wie Petry unlängst noch betonte.

Die Parteispitze versuchte ihm Vorfeld, einen zusätzlichen Konflikt auf dem Parteitag in dieser Frage zu entschärfen. In einem Brief an die AfD-Mitglieder heißt es, es sei falsch, dass einige die Frage der Fraktionszugehörigkeit der zwei EU-Parlamentarier "zu einem Richtungsentscheid für die Gesamtpartei stilisiert" hätten. Die AfD wolle dazu beitragen, dass aus dem "Stimmengewirr der Parteien", die sich derzeit noch auf unterschiedliche Fraktionen des EU-Parlaments verteilten, "ein gemeinsamer Chor" werde.

Offen scheint aber, ob eine gemeinsame Fraktion aller EU-Kritiker überhaupt realistisch ist. Ebenso wie die Frage, ob von Storch Pretzell auf dem Weg in eine Zusammenarbeit mit dem FN folgen würde. Zumindest das persönliche Verhältnis zwischen beiden gilt als ausgesprochen schlecht.

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