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Papst Franziskus bei der Ankunft auf dem Petersplatz
© dpa/ Gregorio Borgia/AP

Papst über Abtreibungen: Franziskus verspielt die Zukunft der Kirche

Der Papst vergleicht Abtreibungen mit Auftragsmorden, gilt aber vielen noch als Geist der Erneuerung. Auch sein Verhalten im Missbrauchsskandal ist beschämend. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Er hat immer so geredet, oder fast so. Franziskus, der vermeintlich gütige, barmherzige Papst, hat Abtreibungen schon mit Mafia-Verbrechen gleichgesetzt und Parallelen zu den Euthanasie-Morden der Nazis gezogen. Jetzt, im Rahmen seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz, hat der Argentinier von Auftragsmorden gesprochen: „Ich frage euch: Ist es gerecht, jemanden umzubringen, um ein Problem zu lösen? Das ist, wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen.“ Und: „Das sagt man so: Schwangerschaft unterbrechen. Aber das bedeutet, jemanden direkt um die Ecke zu bringen.“

Als wäre das nicht schon hanebüchen genug, weil es alles ausblendet, was zu einem Schwangerschaftsabbruch führen kann, zumal alle Notlagen – Franziskus zeigt sich offenkundig verblendet von seiner öffentlichen Wahrnehmung. In der gilt er immer noch als Geist der Erneuerung, nicht zuletzt der katholischen Morallehre. Und als höchst sozial. Zunehmend fragt sich aber: Sind seine Signale doppelzüngig, nur Taktik?

In jedem Fall zeigt sich Franziskus widersprüchlich. Offenheit steht gegen Konservativität. Ja, der Papst muss qua Amt für den Schutz des ungeborenen Lebens eintreten. Aber doch nicht so! Mit geradezu grausamen Worten. Da hilft auch der Verweis darauf nicht, dass Franziskus eine andere, direktere Ansprache pflegt. Er muss eben gerade aus seiner Verantwortung für seine Kirche heraus schon wissen, was er sagt, wie – und vor wem. Noch gilt außerdem das Dogma der Unfehlbarkeit. Deshalb muss er die Worte umso mehr wägen.

Die Kirche läuft Gefahr, den Rest ihrer Glaubwürdigkeit zu verlieren

In diesen Tagen beraten Bischöfe auf einer Synode in Rom über Fragen, die jungen Katholiken wichtig sind. Natürlich auch über Empfängnisverhütung, Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch. Was die Jugend dazu sagt, prägt die Zukunft der Kirche. Was der Papst sagt, verspielt sie. Er beraubt sich der Chance, zu zeigen, dass er die „Zeichen der Zeit“ (Matthäus) erkannt hat. Mit seiner Ansprache läuft die offizielle Kirche Gefahr, ihre Mitsprache zu verlieren.

Und den Rest an Glaubwürdigkeit. Bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals ist Papst Franziskus seltsam still. Dabei liegt die Aufarbeitung maßgeblich auch in seiner Verantwortung als Erster aller Bischöfe. Es geht um Verbrechen an Kindern, um Vertuschung und Doppelmoral.

Es ist, wie der deutsche Prälat Karl Jüsten gerade gesagt hat: Die Glaubwürdigkeit in allen noch so wichtigen Fragen „hängt entscheidend davon ab, wie wir als Kirche mit dieser Verantwortung umgehen. Denn wenn wir es nicht schaffen, endlich die Perspektive der Betroffenen einzunehmen, wie wollen wir denn da bei anderen wichtigen Themen etwa die Perspektive der Armen und Entrechteten in der Einen Welt, der vom Klimawandel Betroffenen, der vor Krieg und Menschenrechtsverletzungen Geflohenen, der gebrechlichen Alten, Kranken, Ungeborenen, beim Lebensschutz oder der sozial Ausgegrenzten authentisch vertreten?“

Wer sich an Kindern vergeht, vergeht sich zugleich an Gott

Zumal für den obersten Geistlichen der Katholiken diese Dimension auch noch eine Rolle spielen sollte: Wer sich an Kindern vergeht, vergeht sich zugleich an Gott. (Dazu darf der Papst nicht schweigen.) Auch hier muss sich Franziskus Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel, warum er seit Wochen nichts zum Vorwurf sagt, dass er die bekannten Schandtaten eines amerikanischen Kardinals ignoriert habe.

Stattdessen redet Franziskus in einer Weise, die Frauen beleidigt, Ärzte kriminalisiert und Opfer von Verbrechen der Kirche geringschätzt. Er wagt es, zu einem Zeitpunkt eine höhere Moral in Anspruch zu nehmen, zu dem es gerade aus Gründen der Moralität dringend nötig wäre, endlich den Perspektivwechsel zu vollziehen: Die Kirche, an ihrer Spitze der Papst, sollte in Demut auf sich selbst schauen, auf die abgrundtiefen Fehler, um dann auf Knien die Opfer und Gott um Verzeihung zu bitten.

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