Familiennachzug für Flüchtlinge aus Syrien: Frank Henkel unterstützt Position von Thomas de Maizière
Nach der Kritik am Innenminister stellt sich das CDU-Präsidium nun hinter de Maizière. Alle seien sich einig, dass der Familiennachzug zu begrenzen sei. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel beklagte einen "Machtkampf" in der Union.
Das CDU-Präsidium hat sich am Montag nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Teilnehmerkreisen darauf verständigt, dass in der Koalition umgehend über eine Begrenzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge gesprochen werden soll. "Alle sind sich einig, dass alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um den Familiennachzug zu begrenzen", hieß es. De Maizière genießt nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert weiterhin das uneingeschränkte Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Seibert wollte diese Vorgänge nicht kommentieren, sondern erklärte lediglich, die Bundesregierung arbeite mit voller Kraft an der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Ziel sei es, Menschen in Not zu helfen. "Wir wollen Fluchtbewegungen ordnen und steuern", sagte der Regierungssprecher. Der Sprecher des Bundesinnenministers erklärte, es gebe in der Frage des Umgangs mit syrischen Flüchtlingen noch "Gesprächsbedarf" in der Koalition.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte auf Einspruch der SPD am Freitag eine Anordnung zurücknehmen müssen, bei Syrern wieder individuell zu prüfen, ob sie einen eingeschränkten Schutzstatus erhalten, wenn sie nicht direkt aus dem Bürgerkriegsgebiet kommen. Dies hätte nach den neuen Beschlüssen der großen Koalition auch ein eingeschränktes Anrecht auf Familiennachzug für einige Syrer zur Folge. Die SPD hatte moniert, dies sei in der großen Koalition nicht abgesprochen gewesen.
Dagegen hatten sich etliche Unionspolitiker nach dem Rückzieher angesichts der nach wie vor hohen Zahlen von neuankommenden Flüchtlingen und Migranten ausdrücklich hinter die Forderung de Maizieres gestellt. Die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner nannte den Minister am Montag einen "Vordenker". Es sei klar, dass die Koalitions-Beschlüsse von vergangener Woche nicht ausreichten, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen.
SPD-Vize spricht von "permanenten Chaostagen"
"Man muss wirklich ernsthaft die Frage stellen, ob da jetzt ein Machtkampf offen ausgetragen wird, der ja seit Wochen und Monaten schwelt", sagte Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Er sprach von "permanenten Chaostagen" in der Union, was auch die Koalition als Ganzes belaste.
Nach CSU-Chef Horst Seehofer meldete sich erneut auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zu Wort und drängte darauf, Flüchtlingen aus Kriegsregionen nur noch einen eingeschränkten Schutz zu gewähren sowie den Familiennachzug zu begrenzen. "Die Position des Bundesinnenministers ist völlig korrekt", sagte Scheuer der "Passauer Neuen Presse" vom Montag.
Scheuer hob hervor, dass die Koalition Einschränkungen beim Familiennachzug diskutiert und beschlossen habe: "Wir brauchen diese Aussetzung, um nicht noch mehr Anreize für Flüchtlinge zu setzen, nach Deutschland zu kommen. Das muss schnell umgesetzt werden." Er fügte hinzu, dass diejenigen, die aus "sicheren" Flüchtlingslagern kommen, nur noch einen kürzeren, zeitlich begrenzten Aufenthalt ohne Familiennachzug erhalten sollten.
Im ZDF-Morgenmagazin fügte er hinzu, dass nicht die Botschaft ausgesendet werden könne, alle könnten kommen und auch noch ihre Familien mitbringen. "Das überfordert Deutschland", sagte Scheuer. Damit stellt sich die CSU klar auf die Seite von de Maizière und gegen das Kanzleramt. Allerdings betonte Scheuer: "Keiner will die Kanzlerin demontieren."
Innenpolitiker versammeln sich hinter ihrem Minister
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte, der Bundesinnenminister spreche ein Problem an, "dem wir uns ohnehin bald stellen müssen". Seine Position sei "völlig richtig". "Das ist vorausschauend, das ist ehrlich, und das ist auch notwendig."
Alle, die jetzt ganz hysterisch auf den Innenminister einprügeln, sollten sich mal in den Städten umschauen. Man dürfe sich nicht immer nur von Notgipfel zu Notgipfel schleppen. "Wir müssen auch mal strategische Entscheidungen treffen, die uns Luft verschaffen. Der Bundesinnenminister nimmt diese Verantwortung wahr."
Auch der Thüringer CDU-Landeschef Mike Mohring unterstützte de Maizière. "Deutschland sollte syrischen Flüchtlingen vorerst subsidiären Schutz gewähren und damit den Familiennachzug aussetzen oder massiv einschränken", sagte Mohring der "Thüringer Allgemeinen" vom Montag. "Wenn die jüngste Verschärfung des Asylrechts nur einige hundert Flüchtlinge betrifft, ergibt sie keinen Sinn."
Allem Anschein nach versammeln sich die Innenpolitiker der Union hinter ihrem Minister. Der Chef des Innenausschusses des Bundestages, der CDU-Politiker Ansgar Heveling, plädierte im Deutschlandfunk wie Maizière für eine Einzelfallprüfung bei syrischen Flüchtlingen. Als Ergebnis könnte Syrern dann lediglich ein sogenannter subsidiärer Schutz gewährt werden, der ihnen einen Familiennachzug verwehre. "Das ist ja keine Einschränkung des Asylrechts, es ist nur eine Differenzierung", sagte der Innenpolitiker.
Am Sonntagabend hatte sich bereits Finanzminister Wolfgang Schäuble auf die Seite seines Kabinettskollegen geschlagen. In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" wies er darauf hin, dass die Begrenzung des Familiennachzugs aus Syrien internationalem und europäischem Recht entspreche. "Wir müssen natürlich den Familiennachzug begrenzen, denn unsere Aufnahmekapazität ist ja nicht unbegrenzt", sagte Schäuble. "Ich halte das für eine notwendige Entscheidung und ich bin sehr dafür, dass wir sehr rasch uns darüber in der Koalition verständigen."
SPD-Chef Sigmar Gabriel wies den Vorstoß in derselben Sendung jedoch zurück. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte in der ZDF-Sendung "Berlin direkt", "das, was man beschlossen hat, erst mal umzusetzen, bevor bereits die nächsten Vorschläge gemacht werden".
Christian Lindner: "Sogwirkung nach Deutschland reduzieren"
Grundsätzliche Unterstützung für den Kurs des Innenministers kam auch von den Liberalen. Die Vorschläge gehen nach den Worten von FDP-Chef Christian Lindner in die richtige Richtung. "Kriegsflüchtlinge sollten zunächst nur einen vorübergehenden Schutz erhalten", sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Er fügte hinzu: "Dieser Schritt hätte auch eine hohe symbolische Wirkung, um die Sogwirkung nach Deutschland zu reduzieren."
Die FDP wolle dafür aber anders als de Maiziere "das europäische Recht für einen Massenzustrom bei uns nutzbar machen, indem die individuellen Asylverfahren für Kriegsflüchtlinge ruhen", erläuterte Lindner. De Maizière habe allerdings für seine Politik offenkundig nicht die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Koalitionsparteien von Union und SPD.
"Die Spitzen der großen Koalition haben den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt." De Maizière sei "zum Prügelknaben für Fehlentscheidungen der Regierungschefin geworden", sagte der FDP-Chef und legte dem Innenminister den Rücktritt nahe. "Wenn er ein Signal für den notwendigen Richtungswechsel in der Flüchtlingspolitik setzen will, sollte er jetzt zurücktreten."
Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hatte am Sonntag gesagt, dass er von de Maizière nicht über dessen Vorstoß zu den syrischen Flüchtlingen informiert worden war. Es werde vorerst dabei bleiben, Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien den Flüchtlingsstatus nach der UN-Flüchtlingskonvention zuzuerkennen - und damit auch das Recht auf Familiennachzug. De Maizière bekräftigte hingegen, dass angesichts der hohen Flüchtlingszahlen nicht noch der Nachzug von Familienmitgliedern möglich sei. Die SPD läuft gegen den überraschenden Vorstoß des Innenministers Sturm. (AFP, dpa, rtr, Tsp)