Facebook-Eintrag zu Köln: Fordert AfD in Thüringen Selbstjustiz?
Die linke Landesregierung sowie die oppositionelle CDU sind empört über einen Facebook-Post der Jugendorganisation der AfD. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.
Die Wortmeldung der AfD-Jugend in Thüringen zu den Übergriffen in Köln in der Silvesternacht war äußerst provokant - nun wird sie möglicherweise Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Die "Junge Alternative" Thüringen hatte am Mittwoch vergangener Woche auf ihrer Facebook-Seite ein Foto mit einer ausgestreckten Pistole veröffentlicht. Dazu hieß es in Anspielung auf einen Ratschlag der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker: "Wenn die Politik nicht handelt, halten die Menschen vielleicht in Zukunft wirklich eine 'Armlänge Abstand', Frau Reker."
Die Landesvorsitzende der "Jungen Alternative", die AfD-Landtagsabgeordnete Wiebke Muhsal, hatte dazu erklärt, die Empfehlung von Reker sei "eine ungeheure Dreistigkeit". Die Distanz verkürzt hätten die Täter, nicht die sexueller Gewalt ausgesetzten Frauen: "Auch hier in Thüringen drohen uns Zustände wie in Köln und Hamburg, wenn sich die Politik nicht endlich schützend vor unseren Rechtsstaat stellt."
Der MDR Thüringen berief sich bei seinem Bericht über Ermittlungen wegen des Facebook-Postings auf das Landesinnenministerium. Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer bestätigte dem Sender, dass er die Angelegenheit mit dem Auftrag zu einer intensiven Prüfung sofort ins Amt weitergegeben habe. Auf Twitter schrieb er: "Wir werden Staatsanwaltschaft und Polizei auf jeden Fall einbeziehen." Innenministeriumsprecher Oliver Löhr sagte dem Tagesspiegel, der Facebook-Eintrag sei gesichert und über die Polizei zur weiteren Prüfung an die zuständige Staatsanwaltschaft in Gera übermittelt worden. "Dort wird geprüft, ob eine Strafbarkeit vorliegt."
Für die von der Linkspartei geführte rot-rot-grüne Landesregierung war die Äußerung der "Jungen Alternative" Anlass für neue scharfe Angriffe gegen die AfD, die in Thüringen von dem Rechtsausleger Björn Höcke geführt wird. Höcke hatte zu Köln erklärt: "Die Silvesternacht hat unserem Land mit den Ereignissen am Kölner Hauptbahnhof einen Vorgeschmack auf den drohenden Kultur- und Zivilisationszerfall gegeben."
"Das Bild zeigt eine gefährliche geistige Haltung. Aufruf zur Selbstjustiz und Gewalt!", twitterte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).
"Lupenreine Rechtsextreme machen ernst", erklärte der Thüringer Staatskanzlei-Chef Benjamin Hoff (Linke) auf Twitter. Er setzt sich sich seit Monaten mit der Entwicklung der Thüringen-AfD seit der Abspaltung von Parteigründer Bernd Lucke auseinander. Hoff sagte auf Anfrage von MDR Thüringen zu den laufenden Ermittlungen, dass der AfD-Ableger damit nicht nur rechte Strömungen bediene, sondern klar rechtsextremen Boden betrete. In Hinblick auf eine künftige Wahl solle sich jeder bewusst sein, dass es sich hierbei um die "NPD in anderem Gewand" handle.
CDU: AfD gießt Öl ins Feuer
Auch der Oppositionsführer im Erfurter Landtag, CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring, griff die AfD-Jugend an. "Wir führen in der Union eine sehr intensive Debatte, wo nachgesteuert werden muss, damit Recht, Ordnung und Sicherheit gewährleistet werden können", sagte Mohring dem Tagesspiegel. "Derweil hat die ,Junge Alternative' nichts Besseres zu tun, als weiter Öl ins Feuer zu gießen. Genau das tut sie mit ihrem unsäglichen Facebook-Post."
Die Chefin der "Jungen Alternative", Muhsal, wies die Kritik zurück und sprach von einer "linken Hetzkampagne", die offenbar durch den Ministerpräsidenten Ramelow und den Staatskanzleichef Hoff medial inszeniert werde. "Auf Andersdenkende Polizei und Verfassungsschutz anzusetzen gehörte schon immer zum linksextremen Werkzeugkasten und das zeigt auch, dass sich die Partei des Ministerpräsidenten, die Linke, im Kern nie von den Praktiken der SED gelöst hat", schrieb Muhsal auf Facebook. "Die Botschaft unseres Bildes war weder ein Aufruf zur Gewalt noch zur Selbstjustiz. (...) Es wäre fatal, wenn die Menschen keine andere Möglichkeit, sich zu schützen, sehen würden, als selbst zur Waffe zu greifen und davor warnen wir."
Bodo Ramelow wirft AfD Parlaments- und Demokratieverachtung vor
Ramelow sagte dazu am Montag dem Tagesspiegel: "Auf mich wirkte das Foto der jungen AfD und der Text wie der Aufruf zur Selbstjustiz. Frau Muhsal rechtfertigt das auch noch und verleumdet diejenigen, die darüber berichten, als kampagnengesteuerte Extremisten." Da sei offenbar jeder Bezug zur Realität und zu rechtsstaatlichen Prinzipien verloren gegangen. Zur Thüringer AfD erklärte der Regierungschef: "Im Parlament sind diese, vom Volk wirklich gut bezahlten Volksvertreter, noch nie durch echte Verbesserungsvorschläge aufgefallen, aber immer wieder durch verbale oder provokative Ausfälle. Deren Bühne scheint wohl eher vor dem Parlament zu sein und dadurch verstärkt sich der Eindruck der bewussten Parlaments- und Demokratieverachtung."
Die AfD befindet sich in jüngster Zeit in Umfragen im Aufwind, vor allem in Ostdeutschland.