Streit um Polens Justizreform: Fördern und fordern
Im Streit um Polens Justizreform hält EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nichts davon, mit einer Kürzung von Subventionen zu drohen.
Aus Sicht der EU-Kommission war es wahrscheinlich ein schlechtes Omen, dass Mateusz Morawiecki seinen ersten Auslandsbesuch in Budapest abstattete. Polens neuer Regierungschef hatte in der vergangenen Woche seinen ungarischen Amtskollegen Viktor Orban besucht – einen Mann, der sich im Streit um Polens Justizreform auf die Seite Warschaus geschlagen und damit gegen Brüssel Position bezogen hat. Allzu viel Entgegenkommen seitens des neuen polnischen Regierungschefs durfte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker also nicht erwarten, als er am Dienstag bei einem Abendessen in Brüssel mit Morawiecki zusammenkam und mit seinem Gast die Lage der EU erörterte.
Schwieriger Gast zu Beginn des Jahres
Gleich zu Beginn des neuen Jahres, in dem die EU wichtige Entscheidungen über ein neues Asylsystem anstrebt, hatte sich Juncker mit Morawiecki einen schwierigen Gesprächspartner nach Brüssel eingeladen. In der Flüchtlingspolitik sperrt sich Polens nationalkonservative Regierung weiterhin gegen die Umverteilung von Migranten. Aus diesem Grund hat die Kommission Polen gemeinsam mit Ungarn und Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
Und auch im Streit um Polens Justizreform zeichnete sich vor dem Treffen Junckers mit Morawiecki keine Lösung ab. Vor Weihnachten hatte die Kommission ein Sanktionsverfahren eingeleitet, das theoretisch zu einem Entzug von Polens Stimmrecht in der EU führen könnte. Das es dazu kommt, gilt als wenig wahrscheinlich, weil Ungarns Regierungschef Orban bereits sein Veto angekündigt hat. In dem mehrstufigen Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages ist es aber durchaus denkbar, dass sich eine Mehrheit von 22 EU-Staaten im März zusammenfindet, um eine „schwerwiegende Verletzung“ der europäischen Grundwerte in Polen festzustellen. Ein derartiges Votum wird Morawieckis Regierung nicht so leicht wegstecken können – die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ wäre auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs an den Pranger gestellt.
Vor dem Treffen mit Morawiecki setzte Juncker indes auf Deeskalation. Er wolle „keine wilden Drohungen ausstoßen“, sondern „vernünftig“ mit der polnischen Seite reden, sagte er der ARD. Insbesondere hält der Luxemburger wenig davon, Polen mit einer Kürzung der EU-Fördergelder zu drohen und damit im Rechtsstaats-Streit auf Kurs zu bringen.
Morawiecki beharrt auf Justizreform
Ob Juncker damit die polnische Regierung von ihrer Justizreform abbringt, bleibt offen. Zum Jahresende hatte Morawiecki noch getwittert: „Die Reform des Justizsystems in Polen ist notwendig.“ Andererseits könnte die Kabinettsumbildung, die der Premier am Dienstag vornahm, auch als internationales Versöhnungssignal verstanden werden. Denn zu denen, die ihr Amt aufgeben müssen, gehört der umstrittene Außenminister Witold Waszczykowski.