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Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko.
© Reuters/Lintao Zhang/Pool
Update

Berliner Anwälte stellen Anzeige gegen Lukaschenko: Folteropfer klagen Präsidenten von Belarus in Deutschland an

In Belarus wurden 2020 die Proteste gegen den Präsidenten niedergeschlagen. Ins Exil geflohene Opfer wollen Lukaschenko von Berlin aus dafür belangen.

Vier Berliner Anwälte haben den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko angezeigt. Die Juristen teilten mit, „im Namen und in Vollmacht von Folteropfern“ hätten sie Strafanzeige beim Generalbundesanwalt (GBA) in Karlsruhe erstattet - sowohl gegen Lukaschenko als auch gegen Sicherheitsbeamte seiner Regierung.

Die Anwälte Mark Lupschitz, Onur Özata, Roland Krause und Benedikt Lux erklärten, sie seien von zehn Opfern dazu beauftragt worden. Ihnen lägen Hinweise zu mehr als 100 Fällen dokumentierter Folter durch Beamte in Belarus vor. Ihre Mandanten, von denen einige im deutschen Exil leben, stellten sich „vollumfänglich“ für Ermittlungen des GBA zur Verfügung. Lux ist auch Berliner Grünen-Abgeordneter.

„Alle Mandanten berichten von Festnahmen aus nichtigen Anlässen, Folter und Misshandlungen für die Tage ihrer Inhaftierung“, schreiben Anwälte in einer Erklärung. „Währenddessen wurden sie in viel zu engen Zellen oder Transportern eingesperrt und über mehrere Tage körperlich misshandelt, gedemütigt, bedroht, beleidigt und auf andere Weise entwürdigt.“

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Im August vergangenen Jahres demonstrierten Oppositionelle gegen Lukaschenkos Regierung. Auslöser war die damalige Wahl - und Vorwürfe, Lukaschenko habe die ohnehin unfaire Abstimmung fälschen lassen. Der Amtsinhaber wurde mit 80 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger erklärt.

Bei Protesten gegen die Wahl und Lukaschenko wurden Tausende festgenommen worden, Hunderte bei Auseinandersetzungen vor allem in der Hauptstadt Minsk verletzt. Zahlreiche Oppositionelle flohen nach Litauen, Polen, Deutschland. Die Opposition sieht im Exil lebende Swetlana Tichanowskaja als Wahlgewinnerin. Die weltweite Kritik saß Lukaschenko aus.

Erst am Dienstag waren vier Vertraute der Oppositionsführerin Tichanowskaja zu mehreren Jahren Straflagerhaft verurteilt worden. Ein Gericht in Gomel in Südbelarus befand die drei Männer und eine Frau unter anderem der Vorbereitung von Massenunruhen für schuldig.

Opfer berichten von schweren gesundheitlichen Folgen

In Minsk waren Demonstranten 2020, das ist vielfach berichtet worden, durch Prügelspaliere gejagt worden. Dazu mussten einige stundenlang auf Knien verharren, von Schlägen, Nahrungs- und Schlafentzug war die Rede.

„Unsere Mandanten leiden unter schweren gesundheitlichen Folgen“, sagte Rechtsanwalt Özata dem Tagesspiegel. „Wir erwarten, dass der GBA seinen Befugnissen entsprechend nach dem Weltrechtsprinzip diese in Belarus begangenen Völkerrechtsverbrechen verfolgt.“

Özata sprach von teilweise „bestialischer Staatsfolter.“ Das Weltrechtsprinzip sieht vor, dass bestimmte Verbrechen auch dann verfolgt werden können, wenn die Tat in einem anderen Land stattfand und Täter sowie Opfer keine Bundesbürger sind.

Die Generalbundesanwaltschaft äußerte sich am Mittwoch nicht zu der Anzeige gegen Lukaschenko. Nach GBA-Anklage 2019 verhandelte der Staatsschutzsenat das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) erst kürzlich gegen zwei Syrer, die dem dortigen Regime von Herrscher Baschar al Assad gedient haben.

Einen der Männer verurteilte das OLG im Februar zu viereinhalb Jahren Haft: Eyad A. hatte sich nach Überzeugung der Richter der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Der Flüchtling war in Deutschland verhaftet worden, weil er als Agent eines syrischen Geheimdienstes erkannt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Dem OLG zufolge hatte A. dazu beigetragen, Demonstranten während des „Arabischen Frühlings“ in ein Foltergefängnis zu bringen. Gegen einen weiteren Angeklagten aus Syrien läuft der Prozess noch.

Sollte die deutsche Justiz tatsächlich gegen Funktionäre in Belarus ermitteln, wären diese in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt. Theoretisch müssten die Verdächtigen in der Europäischen Union dann mit Festnahmen - womöglich, um Untersuchungshaft anzuordnen - rechnen. Allerdings sind Spitzenpolitiker aus Minsk ohnehin in vielen Staaten von Einreisesperren betroffen. So hatten die EU und die USA 2020 Sanktionen gegen Belarus verhangen.

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