Neues Asylrecht: Flüchtlinge schneller in Arbeit, länger im Lager
Das Maßnahmenpaket der Regierung in der Flüchtlingskrise ist geschnürt – das neue Asylrecht setzt wieder stark auf Abschreckung. Fachleute halten das für falsch.
In einer Sondersitzung am Dienstag sind die Änderungen vom Kabinett gebilligt worden. Das "Asylverfahrensbeschleunigungs-" und andere Gesetze sollen im Eiltempo verabschiedet werden und am 1. November in Kraft treten. Zur Bewältigung der, so heißt es im Text, „präzedenzlosen Zahl von Asylbewerbern“, die nach Deutschland kommen, setzen die Änderungen vor allem auf die Abschreckung derer, die als unberechtigt angesehen werden.
Kritik: Statt sicherer Länder unsichere definieren
Wer aus sicheren Herkunftsländern kommt – neu auf der Liste sind Albanien, Kosovo und Montenegro –, den erwarten beschleunigte Verfahren. Flüchtlingsorganisationen und Asylexperten aus der Wissenschaft wenden ein, dass die Verfahren schneller würden, wenn man vielmehr auf die klar unsicheren Herkunftsländer setze, aus denen Hunderttausende kommen: Syrien oder auch Eritrea. Eine Meldung vom Wochenende, die Regierung werde Syrern (die praktisch zu 100 Prozent anerkannt werden) das monatelange Asylverfahren künftig ersparen, wurde dementiert.
Außerdem will die Koalition zum „Sachleistungsprinzip“ zurück: „Um mögliche Fehlanreize zu beseitigen, die zu ungerechtfertigten Asylanträgen führen können“, heißt es im Text, „soll der Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen so weit wie möglich durch Sachleistungen ersetzt werden.“
Mehrheit der Länder gegen Sachleistungen
Das Sachleistungsprinzip war in der Vergangenheit auf Wunsch von Ländern und Kommunen gestrichen worden, weil es zu viel mehr Bürokratie führte. Die Kanzlerin sprach nach dem Flüchtlingsgipfel vergangene Woche davon, die Wiedereinführung gelte nur bei „vertretbarem Verwaltungsaufwand“. In einer Tagesspiegel-Umfrage hatten sich zehn der 16 Landesregierungen gegen den Vorrang von Sachleistungen ausgesprochen. Eine weitere Bestimmung im „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ könnte neue Kosten und Bürokratie bringen: „Während der Dauer des Asylverfahrens und danach bedarf es einer Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften.“ Aufnahme durch Familienangehörige und Freunde oder aber die Anmietung einer Wohnung in Eigeninitiative werden also weiter ausgeschlossen. Da aber Erstaufnahmeeinrichtungen fehlen, sieht der Entwurf auch vor, dass das deutsche Bauplanungsrecht teils und auf Zeit außer Kraft gesetzt wird.
Per Gesetz in die Massenunterkunft
Der Zwang, monatelange in der Erstaufnahmerichtung zu wohnen, steht nach Ansicht von Pro Asyl, Amnesty International und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband auch im Widerspruch zu einem anderen erklärten Ziel des Gesetzentwurfs. Wer „eine dauerhafte Bleibeperspektive habe“, solle „möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden“, heißt es dort. Dafür sollen qualifizierte Fachkräfte unter den Asylbewerbern, aber auch Geduldete, schon nach drei Monaten arbeiten dürfen – alle anderen weiterhin erst nach 15 Monaten. Die drei Organisationen hatten nach dem Gipfel auch auf die Folgen für Flüchtlingskinder hingewiesen, die die provisorische Unterbringung hindere, sich früher an ihren Schulen zu integrieren. Außerdem, so sagte Günter Burkhardt von Pro Asyl, verschärfe das Leben auf engem Raum in den Unterkünften ohne Not Konflikte und spiele Asylgegnern in die Hände.
Lob für Sprachkurse - schon im Asylverfahren
Der Rat für Migration, ein Zusammenschluss von mehr als 100 Migrationswissenschaftlern, kritisierte die Reform deshalb am Dienstag als widersprüchlich und auch vom Ansatz her „höchst problematisch: Sie setze „eine Politik fort, die in erster Linie auf Abschreckung und Abschottung basiert“ und damit nicht nur die Lage Flüchtender verschlechtere: Sie „erstickt auch die Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv für Schutzsuchende einzusetzen“, sagte der RfM-Vorsitzende Werner Schiffauer, Kultur- und Sozialanthropologe an Viadrina in Frankfurt (Oder).
Eine Änderung, die auch von Wissenschaftlern und NGOs begrüßt wird, ist dass die Sprach- und Integrationskurse künftig auch von Asylbewerbern besucht werden können, die noch im Verfahren stecken. Dies soll auch für Geduldete gelten, die gute Aussichten haben, zu bleiben.
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