Flüchtlingsgsgipfel bei Kanzlerin Merkel: Bund nimmt Ländern die Versorgung von Asylsuchenden ab
Beim Geld gab es einen Durchbruch, sonst blieb er aus: Die Asylpolitik setzt auch nach dem Gipfel auf Abschreckung und Einschränkungen für Flüchtlinge.
Die beiden Herren neben der Kanzlerin waren geradezu enthusiastisch. Schließlich haben sie am Donnerstagabend ordentlich Geld eingefahren. Was die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Dietmar Woidke (SPD) und Reiner Haseloff (CDU) dann aber zu sagen hatten, rechtfertigte das große Wort vom "Durchbruch", das Haseloff gebrauchte: Nach einigen Flüchtlingsgipfeln, auf denen immer wieder Kuhhändel ums Geld ausgetragen wurden, haben sich Bund und Länder jetzt auf etwas wohl tragfähiges Neues geeinigt: Von nun an gibt es für die Kosten der Versorgung von Flüchtlingen eine Pauschale pro Person, und der Bund wird sie übernehmen. Statt dass man sich regelmäßig über etwas mehr hier oder dort streitet, ist damit ein, wie die Kanzlerin sagte, „atmendes System“ etabliert:
Woidke: So können wir es schaffen
Kommen viele, sind die Kosten ebenso verlässlich ersetzt wie wenn der Zustrom nachlässt. 670 Euro pro Asylsuchendem gibt die Bundesregierung künftig an die Länder. Damit sollen die sie vom Moment der Registrierung bis zum Abschluss ihrer Asylverfahren versorgt sein. Die sollen demnächst in fünf Monaten geschafft sein; dauern sie länger, übernimmt der Bund auch hier das Risiko. Die Rechnung geht zunächst von der letzten Prognose des Bundesinnenministeriums aus, dass in diesem Jahr 800 000 Flüchtlinge Deutschland erreichen werden. Zudem werden im sozialen Wohnungsbau 500 weitere Millionen Euro landen, 350 Millionen Euro sollen die besonderen Hilfen abdecken, die Kinder und Jugendliche haben, die hier ohne Begleitung landen. "Sehr sehr froh" sei er, sagte Woidke und mehr denn je davon überzeugt, dass wir es schaffen können", so viele Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. Nach den Worten der Kanzlerin sollen alle Vorhaben rasch durch Bundestag und Bundesrat. Mitte Oktober könnte es soweit sein, so dass die Ergebnisse der Verhandlungsstunden vom Donnerstag am 1. November in Kraft treten könnten.
Betreuungsgeld geht in Kitaausbau
Im Schwung haben Bund und Länder am Donnerstag auch noch "den Vermittlungsausschuss vermieden", wie die Kanzlerin, mit verschnupfter Stimme, aber lächelnd sagte: Man einigte sich über die Regionalisierungsmittel, die der Bund für den Bahn-Nahverkehr zahlt. Sogar fürs Betreuungsgeld, monatelang zwischen der SPD und dem Bundesfinanzminster umkämpft, fand sich eine Lösung. Bayern hatte die Zahlung an Eltern, deren Kinder keine Kita besuchen, in den Koalitionsverhandlungen mit Macht durchgesetzt, das Bundesverfassungsgericht dies dann aber im Sommer gekippt. Die jährliche Milliarde, die dadurch frei wid, darf nun nicht Schäuble in den allgemeinen Haushalt stecken. Es wird, so die Merkel, "nach Umsatzsteuerpunkten und Einwohnerzahl" auf die Länder verteilt, die es in frühkindliche Bildung und Kitaausbau investieren sollen. Was damit aus Schäubles Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bedeutet, sagte die Kanzlerin auf Nachfrage, lasse sich "noch nicht sagen", aber "solche Unsicherheiten" gebe es schließlich bei jedem Haushalt, der aufgestellt werde.
"Sichere Herkunftsstaaten" unsicher
Etwas knapper äußerten sich Kanzlerin und Länderchefs zu anderen Punkten: Fürs viele Geld gaben zwar auch die Dissidenten bei der Definition neuer "sicherer Herkunftsstaaten" nach - als solche gelten nun auch Albanien, Kosovo und Montenegro - aber auf Nachfrage über diesen Konsens räumte die Kanzlerin ein, dass Baden-Württembergs Grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch mit seinen Kabinettskolleginnen und -kollegen beraten wolle. In einer früheren Runde hatte Kretschmann zum Ärger vieler in seiner Partei bereits zugestimmt. Und Thüringen, das einzige von der Linken regierte Land, gab zu diesem Thema eine abweichende Meinung zu Protokoll. Was die "Vereinfachungen und Beschleunigungen" der Asylverfahren angeht, von denen Merkel einleitend sprach, so machen auch die sich mager aus: Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge wird zwar kommen; sie könnten dann ohne den bisher erforderlichen Behördenweg direkt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, wenn sie krank sind. Der Bund werde dafür die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Es bleibt aber bei eingeschränkten Leistungen für Flüchtlinge, und die Länder dürfen entscheiden, ob sie die Karte einführen.
Was geht an die Kommunen? Länderchefs schmallippig
Einzelne Länder haben bereits erklärt, das komme für sie nicht infrage. Der Übergang zum sogenannten Sachleistungsprinzip, den der Bundesinnenminister durchsetzen wollte, scheint mindestens entschärft: Den werde es nur geben, wenn er "mit vertretbarem Verwaltungsaufwand" zu schaffen sei. Daran genau ist das Prinzip in der Vergangenheit gescheitert, an Asylbewerber kein Geld, sondern Lebensmittelpakete und Kleidung zu verteilen. Vage blieben Haseloff und Woidke auf die Frage, was vom Geldsegen denn bei den Kommunen ankomme.
Die klagen seit langem, unabhängig von der politischen Farbe der Stadtverwaltungen, dass sie zwar die Hauptlast der langfristigen Integration trügen, aber viel an den "klebrigen Händen" in den Landeshauptstädten hängen bleibe. Die Ministerpräsidenten verwiesen hier auf die kürzeren Asylverfahren, die allein schon die Städte und Gemeinden entlasteten. Und dann gebe es ja auch noch die halbe Million für den Wohnungsbau.
Die Ereignisse vom Donnerstag können Sie hier nachlesen.