Regierung und Opposition einig: Fiskalpakt soll Ende Juni verabschiedet werden
Koalition und Opposition haben sich darauf verständigt, den umstrittenen Fiskalpakt gemeinsam mit dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM am 29. Juni zu verabschieden. Dennoch: Detailfragen sind weiterhin offen.
Koalition und Opposition haben sich darauf verständigt, den umstrittenen Fiskalpakt gemeinsam mit dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM am 29. Juni zu verabschieden. Der Bundesrat soll nach diesen Plänen in einer
Sondersitzung noch am selben Abend entscheiden. Nach Angaben von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) soll am letzten regulären Sitzungstag des Parlaments vor der Sommerpause um 17.00 Uhr die letzte Beratung beginnen. Anschließend soll endgültig abgestimmt werden. Mit dem Bundesrat müsse nun noch über dessen Zeitplan gesprochen werden.
„Dafür werben wir, dass wir die Botschaft aussenden können (...), dass wir am 29. im Bundestag die Entscheidung fällen können.“ Kauder ergänzte: „Ich bin da dankbar, dass die Opposition bei diesem Plan mitgemacht hat.“ Die Grünen wollen ihre Haltung am 24. Juni auf einem kleinen Sonderparteitag in Berlin abstimmen, wie ein Parteisprecher sagte. Die SPD nutzt dazu bereits an diesem Samstag einen kleinen Parteitag.
Bereits in den Tagen zuvor hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass das Parlament noch vor der Sommerpause entscheiden soll. Am Mittwochmittag haben die Spitzen von Koalition, SPD und Grünen zwei Stunden lang im Kanzleramt verhandelt. Herausgekommen war, wie allseits erwartet, noch keine Einigung. Trotzdem sprach einiges dafür, dass es nicht nur taktischer Zweckoptimismus ist, wenn Unionsfraktionschef Volker Kauder und sein FDP-Kollege Rainer Brüderle anschließend Hoffnung verbreiten, dass das Parlament den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause absegnet - zu Recht, wie sich nun zeigt.
Video: Regierung und Opposition konnten sich auf keine Wachstumsstrategie für Europa einigen
Ein Indiz dafür lieferte ausgerechnet Jürgen Trittin. Der Grünen-Fraktionschef hatte eigentlich noch viele offene Posten auf seiner Forderungsliste. Aber draußen vor dem Kanzleramt fuhr er dann doch schon mal ein gut Teil der politischen Ernte ein, die sich die Opposition von den Fiskalpakt-Verhandlungen verspricht. „Das Europa der Austerität ist zu Ende“, triumphierte Trittin, „die Koalition ist zurückgekehrt zur Vereinbarung über die Transaktionssteuer“.
Das bezog sich auf die Irritationen, die ein eigentlich nur intern gemeinter Hinweis von Kanzleramtschef Ronald Pofalla an FDP-Chef Philipp Rösler ausgelöst hatte, mit einer Finanztransaktionssteuer werde es in dieser Wahlperiode eh nichts mehr. Aber SPD-Fraktionschef Frank- Walter Steinmeier berichtete, die Regierung habe zugesichert, dass sie schon beim nächsten EU-Finanzministertreffen am 22. Juni „Pflöcke“ für eine Besteuerung von Börsengeschäften einschlagen wolle. Welcher Art diese Pflöcke sein sollen, blieb allerdings unklar.
Ansonsten gab sich Steinmeier betont zurückhaltend. Wo Kauder sagte: „Wir haben uns auf viele Fragen schon verständigen können“, wiegelte der SPD-Mann ab: „Es gab Annäherung in den Überschriften.“ Ob daraus Vereinbarungen werden könnten und im Ergebnis die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Fiskalpakt, hänge von den weiteren Verhandlungen ab. Die sind für kommende Woche angesetzt, zunächst auf der Ebene der Fraktionsexperten und Geschäftsführer. Am 21. Juni, dem Donnerstag vor dem EU-Finanzministertreffen, sollen sie ganztägig nach Lösungen in den Detailfragen suchen. Absegnen müsste die dann wohl erneut eine Spitzenrunde der Partei- und Fraktionschefs.
Nicht nur im Inland herrscht Uneinigkeit.
Dass es an diesem Mittwoch nicht zum Abschluss kam, ist neben inhaltlichen Differenzen nicht zuletzt einem internationalen Pingpong-Spiel geschuldet. Am Mittwoch reiste die SPD-Troika zu Frankreichs Präsident François Hollande, am 22. Juni trifft sich Merkel in Rom mit Hollande sowie den Premiers von Italien und Spanien. Die SPD erhofft sich davon so etwas wie eine Zangenbewegung, bei der der Sozialist aus Paris und die beiden Krisenländer-Chefs die deutsche Kanzlerin im Sinne der Sozialdemokraten bearbeiten.
Ganz recht kommt der deutschen Opposition da auch der jüngste Beschluss des Europaparlaments. Speziell die Grünen dringen ja auf einen Schuldentilgungsfonds für die Altschulden der EU-Staaten. Trittin gibt sich allerdings kompromissbereit: „Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, wie man Länder aus der Situation der Erpressung herausbringen kann, sind wir dafür offen.“ In der Sitzung hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angedeutet, man könne über solche Fondslösungen reden – aber nur, wenn jedes Land für seine Schulden selber hafte. Einen Gemeinschaftsfonds lehnt die Regierung als Verstoß gegen EU- und deutsches Haushaltsrecht ab.
Doch politische Unterstützung für das Fondsmodell, das pikanterweise auf einen Vorschlag des Sachverständigenrats der Bundesregierung zurückgeht, gibt es inzwischen eben auch aus Straßburg. Das Europaparlament forderte am Mittwoch einen solchen Fonds, in dem die Altschulden der Euro-Länder gebündelt und zu niedrigem Zinssatz über 25 Jahre hinweg abgebaut werden könnten. Nicht nur die Sozialisten-Fraktion stimmte für das Modell, auch Konservative aus den Krisenländern fanden die Idee charmant. Die Abgeordneten von CDU, CSU und FDP lehnten ab. Das Modell führt dazu, dass sich für Deutschland die Zinsbedingungen verschlechtern würden. Wenig Sympathie findet bei Merkels Getreuen auch die Forderung, die EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor dem Parlament erhob: „Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion über die Vergemeinschaftung nationaler Schulden in Form von Stabilitätsbonds.“ (mit dpa)
Robert Birnbaum