Valérie Pécresse als Macron-Nachfolgerin? : Fischen am rechten Rand
Der Ausgang der internen Wahl bei Frankreichs Konservativen zeigt vor allem eines: Das Nachbarland ist in den letzten Jahren noch weiter nach rechts gerückt.
Valérie Pécresse beschreibt ihre politische Haltung so: „zwei Drittel Angela Merkel und ein Drittel Margaret Thatcher“. Seit dem vergangenen Samstag ist die Präsidentin der Hauptstadtregion Ile-de-France Kandidatin der konservativen Républicains für die Präsidentschaftswahl im April.
Wenn sich Pécresse sowohl auf die deutsche Bundeskanzlerin als auch auf die „Eiserne Lady“ beruft, dann zeigt dies, dass es sich bei der Politikerin um eine anpassungsfähige Pragmatikerin handelt. Allerdings wird sie noch einige Hindernisse überwinden müssen, wenn sie tatsächlich die Nachfolge des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron antreten will.
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Auch wenn politische Beobachter der 54-Jährigen von allen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern noch am ehesten eine Chance in einer Stichwahl gegen Macron einräumen, so hat die frühere Ministerin des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy derzeit vor allem ein Problem: Pécresse muss im April überhaupt erst einmal den Sprung in die zweiten Runde schaffen.
Pécresse holt in Umfragen auf
Immerhin macht sich für Pécresse in den jüngsten Umfragen das Ergebnis der parteiinternen Abstimmung positiv bemerkbar. Nach einer Erhebung des Instituts Ifop-Fiducial hat Pécresse zur Zweitplazierten, der rechtspopulistischen Vorsitzenden des „Rassemblement National“, Marine Le Pen, aufgeschlossen - beide liegen bei 17 Prozent. Der rechtsextremen Publizisten Eric Zemmour ist auf 13 Prozent zurückgefallen. Staatschef Emmanuel Macron liegt der Erhebung zufolge mit 25 Prozent ganz vorn.
Gut vier Monate vor der Präsidentschaftswahl sind derartige Umfragen wenig aussagekräftig. Wenn sie sich eine Chance auf die Macron-Nachfolge wahren will, gilt für Pécresse in jedem Fall das oberste Gebot: permanent in den Medien sichtbar bleiben. Der konservative Bewerber bei der letzten Wahl, François Fillon, machte 2016 den Fehler, sich nach seiner Nominierung erst einmal in den Skiurlaub zu verabschieden. Später sorgte eine Scheinbeschäftigungsaffäre dafür, dass Fillon schon im ersten Wahlgang ausschied.
Fillon wähnte sich 2016 fälschlicherweise in einer Favoritenrolle. Pécresse hingegen ist Realistin genug, um die Wahlchancen der Républicains richtig einzuschätzen. Seit Macrons Durchmarsch bei der Präsidentschaftswahl 2017 spielen die Konservativen wie auch die Sozialisten auf nationaler Ebene derzeit nur eine Nebenrolle.
Zerreißprobe bei den Konservativen
Zudem offenbarten die ersten Tage nach ihrer Wahl zur Präsidentschaftskandidatin, dass Pécresse erhebliche Probleme bekommen könnte, den eigenen Laden zusammenzuhalten. Der Zweitplazierte bei der parteiinternen Abstimmung, der Rechtsausleger Eric Ciotti, verlangt trotz seiner Niederlage einen herausgehobenen Platz in der Präsidentschaftskampagne der siegreichen Bewerberin. Inhaltlich könnte das schwierig werden: Die Kandidatin der Républicains ließ zuletzt wissen, dass sie nichts von Ciottis Vorschlag hält, nach dem Vorbild des US-Gefangenenlagers für islamistische Gefährder ein „Guantanamo à la française“ einzurichten.
Um sich des Rückhalts ihres innerparteilichen Rivalen in den kommenden Wahlkampf-Monaten zu versichern, stattete Pécresse am Montag einen Besuch bei Ciotti in dessen politischer Heimat in Nizza ab. Wie weit rechts Ciotti steht, zeigt sich allein schon daran, dass er sich 2017 weigerte, im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl für Macron zu stimmen – auf die Gefahr hin, dass damals Marine Le Pen Staatschefin geworden wäre. Mehr noch: Ciotti bezeichnet den mehrfach verurteilten Rechtsextremen Zemmour als „Freund“.
Das Gerangel bei den Konservativen zeigt, wie weit nach rechts sich das politische Schachbrett unter dem Druck des „Front National“ und der Nachfolgepartei „Rassemblement National“ in den vergangenen Jahrzehnten inzwischen verschoben hat. Auch Pécresse hat ihren Anteil daran. Auch wenn sie sich ursprünglich durch ihre wirtschaftsliberalen Ansichten einen Namen gemacht hat, schwenkte sie im innerparteilichen Wahlkampf auf einen harten Rechtskurs um: Im Wettrennen mit Ciotti und dem früheren Brexit-Verhandler Michel Barnier verlangte sie ein Referendum zur Verfassungsänderung und die Einführung strikter Zuwanderungsquoten.
Daher mag aus deutscher Sicht ihre Selbstbeschreibung, „zwei Drittel Angela Merkel“ zu sein, seltsam anmuten. Selbst wenn die Républicains und CDU/CSU derselben europäischen Parteienfamilie angehören – der Europäischen Volkspartei (EVP).