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Ein Soldat der ukrainischen Armee in einer Stellung.
© dpa

Vor dem Waffenstillstand in der Ukraine: Feuern bis zur Feuerpause

Im Donbass wird trotz der vereinbarten Waffenruhe weitergekämpft. Die Separatisten wollen Debalzewe erobern - und ukrainische Nationalisten die Vereinbarung von Minsk komplett ignorieren.

Ganz gleich, ob oder wann die Waffenruhe in der Ostukraine in Kraft tritt: große Teile des Donbass sind zerstört. In der ganzen Ukraine kamen am Samstag Menschen zusammen, um Lebensmittel, Medikamente und Baumaterial zusammenzupacken. „Das ist für diejenigen, die aus dem Kampfgebiet nicht weg können oder wollen“, sagt Alexandra, die seit Wochen jeden Samstag diesen Freiwilligen-Dienst macht. Sie packt in einem Gewerbegebiet im Kiewer Stadtteil Podil Pakete.

Alexandra hofft auf Frieden. „Ich würde mich als unpolitischer Mensch bezeichnen, aber seitdem wir im Krieg sind, schaue ich viel mehr Nachrichten und kann nur unterstreichen, was Präsident Petro Poroschenko gesagt hat. Es wird noch dauern, bis wir in der gesamten Ukraine Frieden haben“, sagt die 33-Jährige. Dann fügt sie hinzu, dass sie froh sei, dass ihre beiden Kinder klein sind und nicht als Soldaten an die Front müssen. „Das würde ich nicht aushalten, ich könnte mir nie verzeihen, wenn ihnen was passiert.“

Solche Sorgen haben immer mehr Menschen in der Ukraine, vor allem die jüngeren, die sich für ihr Land eine europäische Zukunft wünschen, wie es die Mehrheit im Westen des Landes seit jeher tut.

Die Stadt Debalzewe, ein durch ihre Eisenbahnverbindung strategisch wichtiger Ort für die Separatisten, ist weitgehend zerstört. Der Chef der ukrainischen Miliz, Wjatscheslaw Abroskin, sagte der Tageszeitung „Segodna“: „Die Lichter dieser Stadt sind für immer ausgegangen.“ Seit Tagen würden die Rebellen „mit allen Arten von Waffen auf Debalzewe feuern“. An vielen Stellen würde es brennen, durch die Stadt ziehe dichter, schwarzer Rauch.

Auch im Süden der Region Donezk gehen die Kämpfe weiter

Auch im Süden der Region Donezk wurde wenige Stunden vor der vereinbarten Waffenruhe erbittert gekämpft. Die Stadtverwaltung von Mariupol meldet, dass 20 Kilometer vor der Stadt heftige Kämpfe toben. Vor drei Wochen kamen in der Hafenmetropole am Asowschen Meer über 30 Menschen bei einem Raketenangriff auf ein Wohngebiet ums Leben. „Jetzt stehen die feindlichen Truppen bereits in den Vorstadtsiedlungen, die Soldaten der Russen gehen dort von Haus zu Haus“, beschreibt Abroskin die Lage.

Nicht nur in Donezk spielen sich solche Szenen ab. Marieluise Beck, Osteuropa-Sprecherin der Grünen, ist derzeit in Luhansk unterwegs. Sie schrieb via SMS: „Ich bin an der Front in Luhansk. Es ist ganz genau so wie in Bosnien. Jetzt zerstören die russischen Panzer die Infrastruktur, dazu ständiger Raketenbeschuss.“

Präsident Poroschenko besuchte eine Einheit ukrainischer Grenzsoldaten in Kiew und rief die Gegenseite auf, die Waffenruhe am Sonntag tatsächlich umzusetzen. „Ich erwarte einen Sieg der Vernunft über zerstörerische imperiale Ambitionen“, sagte Poroschenko.

Doch auch auf ukrainischer Seite gibt es Widerstand gegen die Waffenruhe. Dmitri Jarosch, Parlamentsabgeordneter und Vorsitzender der Partei „Rechter Sektor“, kündigte im ukrainischen Fernsehen an: „Wir kämpfen weiter, für meine Truppen hat Minsk II keine Gültigkeit.“ Die ultranationalistische Partei unterhält 13 Freiwilligen-Bataillone mit je 300 bis 400 Mann.

Nina Jeglinski

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