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Wieder gab es Krawalle in Ferguson, bei denen 31 Menschen nach Polizeiangaben festgenommen wurden.
© AFP
Update

Tod von Michael Brown: Ferguson kommt nicht zur Ruhe

Auch in der Nacht zu Dienstag gab es in der amerikanischen Stadt Ferguson Ausschreitungen wegen des Todes des jungen Schwarzen Michael Brown. Es gab Verletzte und Festnahmen - darunter auch mehrere deutsche Journalisten.

Neun Tage nach dem Tod eines schwarzen Teenagers ist die Polizei in der US-Kleinstadt Ferguson im Bundesstaat Missouri erneut mit Tränengas gegen Protestierende vorgegangen. Beamte in Schutzkleidung, die von einem gepanzerten Fahrzeug und einem Hubschrauber begleitet wurden, forderten die Demonstranten in der Nacht zum Dienstag zunächst mehrfach auf, ihren Protest zu beenden. Als sie der Anordnung nicht nachkamen, löste die Polizei die Kundgebung mit Tränengas auf. An dem Protest nahmen weniger Menschen teil als noch in der Nacht zum Montag.

Die Polizei sei in der Nacht unter “heftigen Beschuss“ geraten, teilte der zuständige Polizeioffizier am Dienstag mit. Insgesamt seien 31 Menschen festgenommen worden. Die Polizei setzte in der Nacht Tränengas ein und feuerte Blendgranaten ab, um die Demonstranten auseinanderzutreiben. Nach Polizeiangaben seien auch zwei Menschen durch Schüsse von Demonstranten verletzt worden. Einige der etwa 200 Demonstranten stammten aus weit entfernten Regionen wie New York oder Kalifornien. Vier Polizisten seien durch Wurfgeschosse verletzt worden. Der Zustand der beiden durch Schüsse Verletzten war unklar.

Auch mehrere deutsche Journalisten wurden von der Polizei festgenommen. Darunter der Korrespondent der Zeitung "Die Welt", Ansgar Graw. Er schildert seine Erlebnisse in der Welt und berichtet zunächst von positiven Erfahrungen mit der Polizei am Sonntag, als er in Ferguson angekommen war. Da habe man ihm Auskunft erteilt und den Weg freigemacht. Am Montag sei dann die Stimmung gekippt. Er sei zusammen mit einem Kollegen, Frank Herrmann, der für diverse Regionalzeitungen schreibt, beschimpft worden, dass man sich schämen solle, weil alle Journalisten die Ereignisse falsch darstellen würden. Später sei es dann wieder zu Diskussionen gekommen, woraufhin beide verhaftet worden seien. Drei Stunden wurden sie festgehalten, ehe sie wieder frei kamen.

Auch Lukas Hermsmeier, der für die "Bild"-Zeitung aus Ferguson berichtete ist nach Angaben der Zeitung verhaftet wurden. Er kam am Dienstagmorgen auf freien Fuß, wie das Medienhaus Axel Springer in Berlin bestätigte. Hermsmeier war am Montagabend als Berichterstatter am Rande der Proteste festgenommen worden. Hermsmeier hatte zuvor auch für den Tagesspiegel gearbeitet. Um 6.26 Uhr hatte er noch getwittert, dass die Demonstranten ein Feuer gelegt hätten und die Polizei Tränengas einsetze.

In Ferguson war am 9. August der unbewaffnete schwarze Teenager Michael Brown von einem weißen Polizisten erschossen worden. Seitdem gibt es in dem Vorort der Großstadt St. Louis beinahe täglich Unmutsbekundungen gegen Gewalt aus den Reihen der vornehmlich aus Weißen rekrutierten Polizeikräfte. Besonders nachts schlugen die Proteste immer wieder in Gewalt um. Als Reaktion auf die anhaltenden Unruhen rief der Gouverneur von Missouri die Nationalgarde zur Hilfe. Am Montag rückten rund 200 Soldaten in Ferguson ein, hielten sich zunächst aber im Hintergrund.

Obduktion ergab, dass Michael Brown sechs Schüsse trafen

Nacht für Nacht das gleiche Bild in der US-Stadt Ferguson in Missouri: Schwarze Jugendliche mit nackten Oberkörpern auf der einen Seite, schwer bewaffnete Polizisten auf der anderen. Zuerst läuft alles friedlich ab, doch irgendwann im Laufe der Nacht schlägt die Lage um, gerät außer Kontrolle. Jugendliche dringen in Geschäfte ein, es kommt zu Plünderungen. Die Polizei rückt mit Panzerwagen vor, schießt mit Gummigeschossen, setzt Tränengas ein. Schüsse fallen.

Es ist über eine Woche her, dass der unbewaffnete Teenager Michael Brown durch die Schüsse eines Polizisten starb. Doch längst geht es nicht mehr nur um den Tod des 18-Jährigen. Es scheint, als sei in der abgelegenen Kleinstadt Ferguson mit seinen 21 000 Einwohnern eine Wunde aufgerissen, die nie ganz verheilt war - es ist eine Wunde, an der ganz Amerika leidet.

Die Straßen von Ferguson. Ein Protestmarsch, der friedlich begonnen hatte, eskalierte in der Nacht zu Montag. Der Gouverneur des Bundesstaats Missouri forderte daraufhin von der Nationalgarde Unterstützung an.
Die Straßen von Ferguson. Ein Protestmarsch, der friedlich begonnen hatte, eskalierte in der Nacht zu Montag. Der Gouverneur des Bundesstaats Missouri forderte daraufhin von der Nationalgarde Unterstützung an.
© Scott Olson/AFP

Immer neue Enthüllungen heizen die Emotionen an. Eine unabhängige Obduktion ergibt, dass Brown von sechs Schüssen getroffen wurde. Zwei davon trafen ihn in den Kopf, die Schüsse wurden nicht aus nächster Nähe abgegeben. Die Lesart der Polizei, wonach Brown den Polizisten angegriffen und versucht habe, ihm die Pistole zu entreißen, wird damit immer unglaubwürdiger. Noch immer ist völlig unklar, warum der 18-Jährige sterben musste.

Auch die Beschuldigungen gegen die Behörden werden immer härter, immer hässlicher. „Michael war ein menschliches Wesen“, sagt Ty Pruitt, der Cousin des Toten. Pruitt trägt einen schwarzen Anzug, von der Kanzel einer Kirche herab klagt er die Polizei an: „Er war kein Tier, aber er wurde umgebracht wie ein Tier.“

Tiefgreifender Wandel in Ferguson

Immer weitere Kreise zieht der „Fall Michael Brown“: Die Stimmen mehren sich, wonach in Ferguson die Frustrationen, die Wut und die Enttäuschung von Millionen Afroamerikanern zum Ausbruch kommen, die lange verschüttet waren. „Black Town, White Power“ - Schwarze Stadt, weiße Macht, überschreibt Jeff Smith, der frühere Senator von St. Louis, eine Klageschrift, die das ganze Übel der „Rassenbeziehungen“ in den USA beschreibt. Nach dem Tod Browns wurde eine Petition zur Ausrüstung aller Polizisten mit Videokameras gestartet — bis Montag gab es dafür mehr als 112 000 Unterschriften.

Ferguson, die Vorstadt von St. Louis im Mittleren Westen der USA, hat in den vergangenen Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel erlebt, den viele als Niedergang ansehen: Noch 1990 waren 74 Prozent der Bevölkerung weiß, nur ein Viertel schwarz. Heute hat sich das Verhältnis gedreht: 67 Prozent sind schwarz, 29 Prozent weiß.

Mit der Entwicklung einher ging eine „dramatische wirtschaftliche Veränderung“, wie es der renommierte Think-Tank Brookings Institut eher zurückhaltend beschreibt. Die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich zeitweise, die Einkommen der Beschäftigten fielen inflationsbereinigt um ein Drittel, die Armut stieg sprunghaft an. 2012 lebten ein Viertel der Einwohner unter der Armutsgrenze. „Die wirtschaftliche Ungleichheit heizt die Unruhen in Ferguson an“ - schreibt selbst das Unternehmer-nahe Magazin „Fortune“.

Frustration bei Schwarzen und Bürgerrechtlern

Hinzu kommt: Trotz des Bevölkerungswandels blieb die politische und staatliche Führung in Ferguson weiter fest in der Hand der Weißen. Der Bürgermeister ist weiß, im Stadtrat sitzt nur ein einziger Schwarzer, lediglich drei der 53 Polizeioffiziere sind schwarz. Auch das verschärft die Frustrationen.

Es ist Jahrzehnte her, dass in den USA schwere Rassenunruhen ausbrachen. Als Barack Obama 2009 als erster Schwarzer der US-Geschichte ins Weiße Haus einzog, kannte der Jubel der Schwarzen keine Grenzen. Utopische Hoffnungen schossen in den Himmel, viele Schwarze glaubten, eine neue Zeit breche an.

Heute ist die Hochstimmung verflogen, die Enttäuschung unter Schwarzen und Bürgerrechtlern ist in Frustration umgeschlagen. Nach wie vor sind es vor allem die Schwarzen, die auf der Schattenseite der USA leben, die unter der Krise leiden, die Gefängnisse bevölkern, die immer wieder von Polizisten misshandelt werden. „Die Not der jungen schwarzen Männer ist größer, als Sie denken“, titelt selbst die Wirtschaftszeitung „Businessweek“.

Jetzt lässt der Gouverneur von Missouri die Nationalgarde in Ferguson aufmarschieren. Das könnte die Unruhen in der Kleinstadt beruhigen, aber auch weiter anheizen – das „Rassenproblem“ lösen werden die Soldaten bestimmt nicht. (dpa/AFP/Reuters/Tsp)

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