Proteste in Ferguson: Eine Kleinstadt im Unruhezustand
Trotz Notstand und Ausgehverbot: Nach dem Tod des US-Teenagers Michael Brown wird die Stimmung bei den Protesten in Ferguson im Bundesstaat Missouri immer aggressiver.
Ferguson im Ausnahmezustand: Eine Woche nachdem die Polizei einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen hat, ist die Lage in einem Vorort von St. Louis im US-Bundesstaat Missouri weiter angespannt. Für die Nacht zum Sonntag hatte Gouverneur Jay Nixon den Notstand ausgerufen und ein Ausgehverbot verhängt. Einige Demonstranten, die dennoch auf der Straße protestierten, wurden verhaftet. Dabei setzten die Beamten Rauchbomben und Tränengas ein, einem Mann wurde ins Bein geschossen.
Damit hat sich die Situation in der Kleinstadt wieder verschärft. Am Donnerstag war zunächst ein wenig Ruhe eingekehrt, nachdem Gouverneur Nixon die lokale Polizei der Verantwortung enthoben und stattdessen die Autobahnpolizei mit der Sicherheit in Ferguson betraut hatte. Captain Ron Johnson, der rund 300 Mann vor Ort kommandiert, zeigte sich bei einem Protestmarsch gegen Polizeigewalt solidarisch mit den Demonstranten und setzte damit auf Deeskalation. Dass die Beamten ihre paramilitärische Einsatzkleidung abgelegt hatten, glättete die Wogen ebenfalls.
Einen Tag später wendete sich das Blatt. Die Polizei von Ferguson beugte sich dem Druck der Öffentlichkeit, den Namen des Polizisten zu veröffentlichen, der den tödlichen Schuss auf den unbewaffneten Michael Brown abgegeben hatte. Man veröffentlichte aber auch ein Foto, das Brown angeblich dabei zeigt, wie er kurz vor der tödlichen Begegnung mit der Polizei in einem Kiosk ein Päckchen Zigarillos klaut. Demonstranten empörten sich, die Polizei wolle die tödlichen Schüsse rechtfertigen. Dabei habe der Diebstahl nichts mit den Schüssen auf Brown zu tun.
Brown wurde angehalten, weil er nicht auf dem Bürgersteig lief
Tatsächlich musste die Polizei zugeben, dass man Brown nicht etwa als Verdächtigen angehalten habe, sondern weil er auf der Straße lief – statt auf dem Bürgersteig. Der Todesschütze, der seit sechs Jahren zur Polizei in Ferguson gehört und bisher nicht aufgefallen war, wurde unmittelbar nach dem Vorfall vom Dienst suspendiert und ist mittlerweile untergetaucht. Nachbarn sagen, er habe sein Haus bereits Anfang der Woche verlassen und sei seither nicht mehr gesehen worden.
Die Stimmung bei den Protesten auf der Straße ist aggressiv. „Ihr habt Waffen, wir haben Waffen“, schrien gewaltbereite Demonstranten in der Nacht der Polizei entgegen, und: „Wir sind bereit.“ Es kam erneut zu Plünderungen. Solche Aktionen überschatten die zahlreichen friedlichen Proteste, die sich zur selben Zeit in Ferguson abspielen, wo mittlerweile auch führende Köpfe der schwarzen Bürgerrechtsbewegung eingetroffen sind. Pastor Jesse Jackson beschrieb Ferguson als Inbegriff der amerikanischen Großstadt, „wo Arme und Minderheiten benachteiligt“ seien und keine Aussicht auf Arbeit hätten.
Es gibt zwei Lager von Demonstranten: friedliche und aggressive
Die Demonstranten scheinen in zwei Lager gespalten: Die aggressiven Proteste werden von jungen Leuten ausgeführt, die sich damit anscheinend dem Rat der älteren Generation widersetzen. Es sei unmöglich geworden, die Proteste in geordnete Bahnen zu lenken, klagen einige Pastoren, die sich seit Tagen für eine Beruhigung auf den Straßen von Ferguson einsetzen. Der Notstand hat bei diesen Bemühungen nicht geholfen – im Gegenteil: „Keine Gerechtigkeit, kein Ausgehverbot“, skandierten die Demonstranten, die entgegen klarer Anweisungen die Nacht auf der Straße verbrachten.
Lars Halter