E-Mail-Affäre um Hillary Clinton: FBI veröffentlicht Ermittlungsakten
Hillary Clinton gerät durch neue Enthüllungen im Mail-Skandal unter Druck. Das FBI hat Aufzeichnungen der Befragung der Präsidentschaftskandidatin veröffentlicht.
Sie ist in ihrer vierjährigen Amtszeit als Außenministerin der Vereinigten Staaten rund 1,5 Millionen Kilometer gereist, hat sich mit hunderten Politikern und Würdenträgern getroffen und gehörte zu den prominentesten Diplomaten der Erde – doch Hillary Clinton kann sich nach eigenen Angaben beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals eine E-Mail mit besonders heiklem Inhalt erhalten zu haben.
Das sagte Clinton jedenfalls Ermittlern der US-Bundespolizei FBI, wie aus jetzt veröffentlichten Dokumenten der Behörde hervorgeht. Nicht nur wegen solcher Merkwürdigkeiten gerät die Präsidentschaftskandidatin gut neun Wochen vor der Wahl am 8. November erneut unter Druck. Schon jetzt haben 56 Prozent der Amerikaner laut Umfragen eine schlechte Meinung von Clinton. Im Rennen um das Weiße Haus liegt sie vor allem deshalb deutlich vorne, weil ihr Rivale Donald Trump noch unbeliebter ist und viele gemäßigte Wähler mit radikalen Parolen in der Einwanderungs- und Minderheitenpolitik abstößt.
Entscheidende neue Fakten enthalten die insgesamt knapp 60 Seiten an FBI-Material nicht, auch decken sich die meisten darin enthaltenen Aussagen Clintons aus einer mehr als dreistündigen Befragung durch das FBI mit dem, was die 68-jährige öffentlich gesagt hat. Dennoch sind die Unterlagen politisches Dynamit.
Hat Clinton die Öffentlichkeit belogen?
Immerhin wissen die Amerikaner jetzt, dass Clinton dem FBI gegenüber angegeben hat, sie habe nicht gewusst, dass das „C“ vor manchen Absätzen in ihren Mails für „Confidential“ – vertraulich – gestanden habe. Dass die Kandidatin für das mächtigste Amt der Welt damit angreifbar wird, liegt auf der Hand. Entweder sei Clinton völlig inkompetent, oder sie habe das FBI und die amerikanische Öffentlichkeit belogen, erklärte der Parteivorsitzende der Republikaner, Reince Priebus.
Der im vergangenen Jahr aufgeflogene Skandal dreht sich um die Verwendung eines privaten Mail-Servers durch Clinton während ihrer Zeit als Außenministerin von 2009 bis 2013. Viele Mails aus dieser Zeit wurden gelöscht – politische Gegner vermuten, dass Clinton unter anderem eine unlautere Vermischung ihres Ministeramtes mit der Tätigkeit für die wohltätige Clinton-Stiftung vertuschen wollte. Laut Medienberichten legen einige noch vorhandene Mails nahe, dass Großspender der Stiftung einen privilegierten Zugang zu der Ministerin hatten.
Das FBI hatte Clinton im Juli vorgeworfen, höchst fahrlässig gehandelt zu haben, aber auf die Empfehlung strafrechtlicher Ermittlungen verzichtet. Clinton sagte in der FBI-Vernehmung, sie habe den privaten Server benutzt, weil es bequemer für sie gewesen sei. Der Bundespolizei zufolge haben Hacker offenbar versucht, den Server zu knacken, scheiterten aber.
„‘Ach du Scheiße‘-Moment“
Clinton sagte dem FBI, sie habe sich bei der Einrichtung des Servers auf ihre Mitarbeiter verlassen. Vertrauliches habe sie vor allem bei mündlichen Unterrichtungen erfahren oder als schriftliche Dokumente erhalten, die sie sorgfältig verwahrt habe. Allerdings ging es in den Mails an die Ministerin unter anderem um die Planung für US-Drohnenangriffe auf mutmaßliche Terroristen. Auch dieses hochsensible Material landete auf Clintons privatem Server.
Dem FBI-Bericht zufolge scheiterte die Bundespolizei bei dem Versuch, alle elektronischen Geräte der Ex-Außenministerin aufzuspüren. So blieben einige Smartphones unauffindbar. Auch das dürfte Clintons Glaubwürdigkeit weiter schaden.
Dasselbe gilt für die Tatsache, dass ein von Clintons Stab angeheuerter Techniker das Mail-Archiv der Ex-Ministerin im März vergangenen Jahres löschte – nachdem der Skandal publik geworden war. Der vom FBI nicht namentlich genannte Techniker soll mehrere Monate zuvor von einer Mitarbeiterin Clintons die Anweisung zum Löschen erhalten haben, doch war dies bis zur Aufdeckung des Skandals durch die „New York Times“ noch nicht geschehen. Der Mann sprach dem FBI gegenüber von einem „‘Ach du Scheiße‘-Moment“, als er bemerkte, dass er die Mails nicht wie angeordnet vernichtet hatte. Dann setzte er die Anweisung des Clinton-Stabs um, obwohl der US-Kongress den Erhalt der Mails befohlen hatte.