US-Wahlkampf 2016: Hillary Clinton hat mehr zu verlieren als Trump
Hillary Clinton, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, ist in Gefahr - durch ihr eigenes Verhalten. Gut, dass es Joe Biden gibt. Ein Kommentar
Entschieden ist da noch lange nichts, einerlei wie die Umfragen aussehen. Es hilft Hillary Clinton nicht einmal, dass sie in manchen Teilen der Bevölkerung deutlich führt, bei den Frauen gegenwärtig bis zu 30 Prozent vor Donald Trump liegt – geschenkt, denn das ist zum jetzigen Zeitpunkt. Die US-Präsidentschaftswahl ist aber erst im November.
Wer weiß schon, was morgen ist? Wer konnte wissen, dass gestern die Geschichte mit weiteren 15 000 E-Mails von Clintons privatem Server hochploppen würde, deren Auswirkungen erst in den kommenden Wochen zu sehen sein werden?
Was sich aber heute bereits zeigt, ist das Gefahrenpotenzial, das darin liegt. Ungeheuer ist es, in des Wortes doppelter Bedeutung. Denn die Sache offenbart alles das, was die Wähler – und es sind aus Sicht der Kandidatin verdammt viele – an Hillary Clinton nicht mögen. Darunter übrigens auch viele Frauen, also unter den Wählern wie den Clinton-Kritikern.
Sie haben ein Thema, das immer wiederkehrt: Warum leistet sich Hillary Clinton, was allen anderen strikt verboten ist, den einfachen Leuten wie den Regierungsmitarbeitern? Dieses Unbehagen ist für viele beileibe nicht auf den Umgang mit Mails beschränkt, mit deren Sicherheit und Geheimhaltung. Nein, es geht um die übergeordnete Frage: Warum darf sie sich so viel leisten, ungestraft?
Was zum zweiten Thema führt, der Ableitung vom ersten: Es ist der verbreitete Eindruck, einer Frau mit Hybris gegenüberzustehen. Der es gar nicht einfällt, Unrecht darin zu erblicken, dass einer, wenn er nur üppig genug für die Clinton-Stiftung spendet, mit einfacherem Zugang zur Außenministerin (die sie seinerzeit war) rechnen kann. Im Gerede ist der Fall des Kronprinzen von Bahrain, dem auf diesem Weg gelungen sein soll, was ihm vorher verwehrt wurde. Dahinter nun vermuten Clintons Gegner Bestechlichkeit.
Der Republikaner-Kandidat hat sich schon so viel anhören müssen
Was wiederum auf Trumps Wahlkampfführung einzahlt. Der spricht seit Längerem, eigentlich seit Beginn seiner Kampagne, von „Crooked Hillary“, von der betrügerischen Hillary. Wehe ihr, Trump bekommt auch nur in Ansätzen recht. Dann verfängt Clintons Wahlkampfführung nicht mehr, die darauf baut, dass Trump für die Amerikaner zunehmend der Zeitgenosse ist, dem man nicht trauen darf, weil er alle fünf Minuten eine Unwahrheit verbreitet.
Kritik daran verfängt allerdings ohnehin wenig, weil Trump in der Hinsicht inzwischen geradezu immunisiert wirkt. Anders als Clinton. Der Republikaner-Kandidat hat sich schon so viel anhören müssen, ist mit so viel Negativem belegt worden, dass es für ihn kaum mehr schlimmer werden kann. Wohl aber für Clinton.
Wenn sie – gefühlt – auch nur so ist wie Trump, hat sie mehr als er zu verlieren, mehr als ihren Nimbus der bestvorbereiteten Kandidatin, die es je gegeben hat. Dann würde auch Clinton vor allem als skrupellos gelten. Und sollte dieses Gefühl am Ende womöglich doch noch begleitet werden von einem Ermittlungsverfahren im einen oder anderen Fall – dann wäre nicht nur die Frage, ob Donald Trump die Wahl als Kandidat erreicht. Zur Not haben die Demokraten ja den untadeligen Joe Biden.