Hartz IV trotz Vollzeitjob: Experten empfehlen Erhöhung des Mindestlohns
Der gesetzliche Mindestlohn habe sich bewährt, urteilen Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Doch leiste er nicht den "angemessenen Mindestschutz".
Der 2015 eingeführte gesetzliche Mindestlohn hat sich laut einer Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung bewährt. Die Löhne im Niedriglohnsektor seien gestiegen, ohne dass die Zahl der Beschäftigten abgenommen habe, erklärten die Wissenschaftler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung sowie vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Stiftung am Montag in Düsseldorf. Im internationalen Vergleich sei das Niveau des Mindestlohns allerdings relativ niedrig. Seit Januar 2017 beträgt die Höhe des Mindestlohns in Deutschland 8,84 Euro brutto pro Stunde.
In der Analyse stellen die Experten fest, dass zum Mindestlohn Beschäftigte auch bei einem Vollzeitjob häufig auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen seien. Im vergangenen Jahr waren dies demnach mehr als 190.000 Beschäftigte.
Der Mindestlohn leiste nicht den im Mindestlohngesetz geforderten „angemessenen Mindestschutz“, erläuterten die Wissenschaftler. Sie empfehlen, den Mindestlohn so zu erhöhen, dass er kurzzeitig stärker steigt als die Tariflöhne. Eine Mindestlohnkommission aus Gewerkschaftern, Arbeitgebervertretern und Wissenschaftlern prüft alle zwei Jahre die Höhe des Mindestlohns. Die nächste Anpassung soll zum 1. Januar 2019 erfolgen.
Der Analyse zufolge profitierten vor allem Geringverdiener von der Einführung des Mindestlohns. Während im Jahr 2014 fünf Prozent der Beschäftigten einen Stundenlohn von unter 6,84 Euro bekamen, erhielten sie zwei Jahre später 7,58 Euro - das sind elf Prozent mehr. Im mittleren Bereich sei der Lohn der Beschäftigten dagegen nur um fünf Prozent gestiegen, sagten die Wissenschaftler.
Anders als befürchtet, habe die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns nicht zu dramatischen Arbeitsplatzverlusten geführt, stellten die Experten der Hans-Böckler-Stiftung fest. Sie weisen darauf hin, dass die Zahl der Arbeitnehmer allein im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent gestiegen sei. Dabei hätten vor allem sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zugenommen, die Zahl der Minijobs sei gesunken. Letztere bewerten die Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Stiftung als „Korrektur einer früheren Fehlentwicklung“. (epd)